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Das Jahr der Kraniche - Roman

Das Jahr der Kraniche - Roman

Titel: Das Jahr der Kraniche - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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damit gehabt, allein zu sein. Im Gegenteil, sie hatte es immer genossen, wenn niemand da war, der sie beobachtete oder fragte, was sie gerade tue oder denke. Dass sie, nachdem sie Jan kennengelernt hatte, Tag und Nacht mit ihm verbracht hatte, hatte sie selbst gewundert. Es war ihm in kürzester Zeit gelungen, ein fester Bestandteil ihres Lebens zu sein. In der Minute, als er ihre Wohnung verlassen hatte, hatte sie ihn auch schon vermisst.
    Und jetzt? Es war nicht so, dass sie sich bewusst danach gesehnt hätte, mal wieder allein zu sein. Doch als Jan ihr gestern gesagt hatte, dass er für ein paar Tage weg müsse, hatte sie sofort angefangen, Pläne zu machen, wie sie diese freie Zeit nutzen wollte. Es war ja nicht nur einiges im Haus zu tun. Auch der Garten wartete darauf, dass sie sich mit ihm beschäftigte. Unkraut wollte gezupft, alte Blätter vom letzten Jahr sollten aus den Blumenrabatten entfernt werden. Die Hortensien, die den Weg zum See säumten, mussten dringend beschnitten werden, damit sie in ein paar Wochen umso üppiger blühen konnten.
    Und außerdem wollte sie sich endlich im Krankenhaus in Templin vorstellen und fragen, ob es dort nicht vielleicht eine freie Stelle für eine Krankenschwester gab. Jan war zwar der Meinung, dass sie ihr Leben als Hausfrau noch eine Weile genießen sollte. Sie könne ja auch im nächsten Jahr wieder anfangen zu arbeiten. Doch Laura hatte ihm zu verstehen gegeben, dass sie nicht nur Wert darauf legte, wieder zu arbeiten, sondern auch darauf, ihr eigenes Geld zu verdienen. Sie mochte die Vorstellung nicht, von irgendeinem Menschen finanziell abhängig zu sein. Auch nicht von ihrem Ehemann, obwohl der genügend Geld hatte, um sie zu ernähren.
    Es gefiel Jan, für Laura zu sorgen, die Rolle des Familienernährers zu spielen. Inwieweit dabei die Tatsache eine Rolle spielte, dass sie von ihm abhängig war– das wollte er nicht zu Ende denken. Vor allem nicht, weil er nicht vergessen konnte, dass seine Mutter an der Seite ihres Ehemanns, der ihr ausgeredet hatte, wieder zu arbeiten, als Jan in die Schule gekommen war, nicht sehr glücklich gewesen war. Im Gegenteil.
    »Wenn wenigstens dein Auto schon geliefert worden wäre, dann wäre mir bedeutend wohler bei dem Gedanken, dich hier allein zu lassen.«
    »Warum? Weil ich dann schneller abhauen könnte, falls ich hier Panik kriege?«
    Jan hatte für Laura einen Fiat Panda bestellt. Klein und kompakt, aber mit Vierradantrieb. Das war ihm wichtig gewesen angesichts der Zeiten, in denen die Gegend im Wasser oder im Schnee versank und die Wege zu Schlammfallen wurden.
    »Ich hab das Rad. Und wenn ’ s sein muss, kann ich mich ja auch auf Flora fortbewegen.«
    Es gab kein Problem, für das Laura nicht sofort eine Lösung gewusst hätte.
    »Und außerdem, wenn das Wetter wirklich zu schlecht werden sollte fürs Reiten oder Radfahren, dann kann ich immer noch Hanno oder Elke fragen, wenn ich irgendwo hin muss.«
    Wie kam es nur, dass sie so einen unerschütterlichen Optimismus hatte? Jan hatte sich das in den letzten Wochen einige Male gefragt. Nichts schien Laura wirklich zu erschüttern. Nicht die heftigen Gewitter, die in den Nächten über der Gegend getobt hatten und die sie bei offenem Fenster hingerissen beobachtet hatte. Nicht die Tatsache, dass der Schreiner sich als Schlawiner erwiesen hatte, der zwar eine Anzahlung für die Bücherregale eingesteckt, sich dann aber nie mehr gemeldet hatte. Und schon gar nicht die Erkenntnis, dass es in dem Haus einiges gab, was nicht funktionierte, angefangen von dem alten Herd in der Küche über das Telefon, das auch nach Wochen noch nicht angeschlossen war, bis zum Kamin im Wohnzimmer, der plötzlich angefangen hatte zu rauchen und der vom herbeigerufenen Kaminbauer auf der Stelle stillgelegt worden war. Bevor der alte Schlot nicht neu aufgebaut war, würden sie auf die idyllischen Abende am Kamin erst mal verzichten müssen.
    »Dann machen wir eben ein Lagerfeuer am See«, hatte Laura beschlossen, und tatsächlich hatten sie einige Abende unter einem gigantischen Sternenhimmel verbracht und Würstchen gegrillt, indem sie sie über das Feuer hielten, bis sie fast verkohlt waren. In Decken gehüllt hatten sie dort gesessen, auf alten Luftmatratzen, die Laura in einer der vielen Abstellkammern gefunden und mangels Pumpe mit dem Mund aufgeblasen hatte. Romantisch hatte sie das gefunden. Und Jan hatte sich daran erinnert, wie er früher mit Hanno am Feuer gesessen und dieser ihm

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