Das Jahr der Kriesen
nannte, zu bemühen und sich ihr anzuschließen. Weil CLEAN nämlich nicht einfach müßig dabeisitzen und dies geschehen lassen würde, jedenfalls nicht, wenn CLEAN dieselben Ansichten vertrat wie Herb Lackmore.
Jetzt war für CLEAN die Zeit gekommen, etwas zu unternehmen. Und nicht unbedingt nur etwas von gewaltloser Natur. Es war zu spät für Gewaltlosigkeit, das funktionierte sowieso nicht. Jetzt war ein bißchen mehr erforderlich. Viel mehr. Die Situation hatte eine furchtbare Wende genommen, und sie würde durch unmittelbares und schnelles Handeln korrigiert werden müssen.
Und wenn sie es nicht tun, sagte Lackmore zu sich selbst, dann werde ich es tun. Ich habe keine Angst davor. Ich weiß, daß es getan werden muß.
Auf dem Fernseh-Bildschirm war Jim Briskins Gesicht ernst, als er sagte: »... wird ein natürliches Ventil für den Druck bieten, der in unserer Gesellschaft auf jeden einzelnen einwirkt. Wir werden endlich frei sein und...«
»Du weißt, was dies bedeutet?« fragte George von George Walt seinen Bruder Walt.
»Ich weiß es«, antwortete Walt. »Es bedeutet, daß diese Flasche Sal Heim nichts für uns erreicht hat, überhaupt nichts. Du paßt auf Briskin auf; ich werde Verne Engel anrufen und etwas arrangieren. Mit ihm können wir zusammenarbeiten.«
»Okay«, sagte George und nickte mit dem gemeinsamen Kopf. Er beobachtete den Fernsehschirm mit seinem Auge, während sein Bruder am Vidphon eine Nummer wählte.
»Dieses ganze Geschwätz mit Sal Heim«, knurrte Walt und verstummte, als ihn sein Bruder mit dem Ellenbogen anstieß und ihm damit zu verstehen gab, daß er der Chicagoer Rede zuhören wollte. »Tut mir leid«, sagte Walt. Er konzentrierte den Blick seines Auges auf den Schirm des Vidphons.
An der Tür ihres Büros erschien Thisbe Olt. Sie trug ein Rehkalb-Haut-Gewand mit sich abwechselnden Streifen größer werdender Durchsichtigkeit. »Mr. Heim ist zurück«, informierte sie die Brüder. »Er möchte Sie beide sehen. Er sieht – niedergeschlagen aus.«
»Wir haben mit Sal Heim nichts mehr zu schaffen«, sagten George Walt wütend.
»Sag ihm, er soll zur Erde zurückgehen«, fügte Walt hinzu. »Und von jetzt an ist der Satellit für ihn tabu. Er kann keines unserer Mädchen mehr besuchen – um keinen Preis. Soll er einen erbärmlichen, schleichenden Tod der Frustration sterben – geschieht ihm nur recht.«
George erinnerte ihn bitter: »Heim wird uns nicht mehr brauchen, wenn Briskin die Wahrheit sagt.«
»Das tut er«, erklärte Walt. »Er ist ein zu schlichter Pferdearsch, um lügen zu können; Briskin ist gar nicht in der Lage dazu.« Sein Anruf war jetzt auf der Privatleitung durchgestellt worden. Auf dem Vidschirm erschien jetzt das Miniatur-Abbild eines Mannes aus Verne Engels prunkhaft uniformierter persönlicher Leibwächter-Garde in der grünsilbernen Ausstaffierung der CLEAN-Leute. »Lassen Sie mich direkt mit Verne sprechen«, sagte Walt und benutzte ihren gemeinsamen Mund in dem Moment, als George ein paar weitere Bemerkungen an Thisbe richten wollte. »Sagen Sie ihm, daß Walt ihn sprechen will. Ich rufe vom Satelliten aus an.«
»Geh schon«, sagte George zu Thisbe, als Walt zu Ende gesprochen hatte. »Wir haben zu tun.«
Thisbe betrachtete ihn kurz und schloß dann die Bürotür hinter sich.
Auf dem Schirm tauchte Verne Engels verkniffenes, wabbeliges Gesicht auf. »Ich sehe, daß Sie – zumindest Ihre eine Hälfte – Briskins Demagogie mitverfolgen«, sagte Engel. »Haben Sie schon entschieden, welche Hälfte mich anrufen und welche dem Farbigen weiter zuhören soll?« Engels entstellte Züge verzogen sich unter einem lüsternen Blick der Hohns.
»Zusehen – das reicht«, gaben George Walt gleichzeitig zurück.
»Entschuldigung. Ich will Sie nicht beleidigen«, sagte Engel, aber sein Gesichtsausdruck blieb unverändert. »Nun, was kann ich für Sie tun? Bitte machen Sie es kurz. Ich würde Briskins Tirade auch gern mitverfolgen.«
»Sie werden Unterstützung benötigen«, sagte Walt zu Engel. » Vorausgesetzt, Sie wollen Briskin jetzt aufhalten. Diese Rede wird ihn rüberbringen, und ich glaube, daß nicht einmal mehr gemeinschaftliche Übertragungen von unserem Satelliten – wie wir sie abgesprochen haben – ausreichend sein werden. Es ist einfach eine verdammt zu schlaue Rede, die er da hält. Nicht wahr, George?«
»Das ist es zweifellos«, bestätigte George, den Blick auf den Fernsehschirm geheftet. »Und sie wird mit jeder Sekunde,
Weitere Kostenlose Bücher