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Das Jahr der Maus

Das Jahr der Maus

Titel: Das Jahr der Maus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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über meine Fachkompetenz schnell zerstreuen würde. Und den Lageplan von Fort Benning konnte ich aus dem Ärmel schütteln.
    »Wie denn?« fragte ich so unschuldig wie möglich.
    »Älter. Aber lassen wir das. Sie möchten uns besuchen?« Geübte Autorität in Aktion.
    »Sehr gerne.«
    »Wann paßt es Ihnen?«
    »Jederzeit innerhalb der nächsten sieben Tage.«
    »Morgen?«
    »Morgen.«
     
    Als ich am Tor der Jugendstilvilla klingelte, dachte ich: 80%.
    »Ja?«
    »Manuel Muntadas hier. Frau Dr. Bethge erwartet mich.«
    Der Türsummer war gut erzogen, das Geräusch, das er abgab, war den Ohren angenehm. Drinnen befand ich mich plötzlich in einem Glaskasten, der extrem schußsicher aussah. Frau Dr. Bethge stand auf der anderen Seite des Glases und winkte mir gutgelaunt zu, während ein Wachmann mir zur Leibesvisitation zwischen die Beine griff. Sein Kollege richtete eine eigenartig aussehende Waffe mit einem sehr langen Lauf auf meinen Kopf, und ich hatte mit dem Lächeln einige Mühe. Ich zog meinen Anzug straff (Saffran/Armani), wiederum das wohlerzogene Summen, und Frau Dr. Bethge kam mit wehendem Arztkittel auf mich zu. Die Brille hatte sie nicht auf. Sie sah besser aus als auf dem Bildschirm, eigentlich eher wie ein gut erhaltenes Fotomodell zwei Jahre nach Ende seiner aktiven Zeit. Du Miststück, dachte ich.
    »Señor Muntadas, willkommen!«
    »Frau Doktor«, antwortete ich und verbeugte mich knapp.
    Im Fahrstuhl fiel mir auf, daß ihr Parfüm knapp an der Grenze zur Aufdringlichkeit entlangschwebte. Sie war für einen normalen Arbeitstag einen Hauch zu gut geschminkt, jedenfalls besser als gestern. Ihr Dreckskerle, dachte ich, und meinte damit die Helfer.
    »Bitte verzeihen Sie die Unannehmlichkeiten in unserem Eingangsbereich«, sagte sie verbindlich. »Es hat da Vorkommnisse gegeben …«
    »Vorkommnisse?« warf ich ein.
    »… unangenehme Vorkommnisse«, erläuterte sie, »und wir möchten nicht gern, daß sich so etwas wiederholt.«
    »Ah«, sagte ich.
    Ihr Büro strahlte vor sanfter Esoterik. Milde Farben, mehrere Buddhas und Klangschalen; in einer Art sachlichem Schrein ein gewaltiger Bergkristall. Die Bücher, deren Titel ich entziffern konnte, beschäftigten sich alle mit esoterischen Themen. Ich legte meinen Aktenkoffer auf ihren Schreibtisch, zog meine Papiere heraus (unter anderem das Zeugnis von der SOA) und gab sie ihr. Sie blätterte sie nur oberflächlich durch und ließ sie dann auf die Tischplatte fallen, als bedeuteten sie ihr nichts.
    »Fein. Sie möchten unsere Arbeit kennenlernen.«
    »O ja, sehr gerne. Der Innenminister meines Landes ist an ihren Forschungen überaus interessiert, und die guten Kontakte unserer Sicherheitsdienste zu ihrem Dr. Angermann haben dafür gesorgt, daß ich jetzt hier sitze.« Ich tat so, als müsse ich mich konzentrieren. »Wir leben in einer schwierigen Zeit, Frau Dr. Bethge. Unsere junge Republik, die ihren mühsamen Weg zur Demokratie gerade erst abgeschlossen hat, sie hat Feinde. Feinde von außen, aber um diese Feinde, vor allem im Grenzgebiet zu Peru und Uruguay, kümmert sich unsere Armee, die sich, genau wie wir, schon lange auf die Unterstützung aus Deutschland verläßt.« Frau Dr. Bethge begann sich zu langweilen. Sie mußte dieses weitschweifige Geschwätz schon allzuoft mitangehört haben. »Wir, die wir uns um den inneren Frieden zu kümmern haben, sehen uns heimtückischeren Gefahren gegenüber als die Armee. In einer Demokratie gibt es Politik. Es gibt Menschenrechtsgruppen, die sich als Tarnorganisationen für umstürzlerische Aktivitäten mißbrauchen lassen. Es gibt Rechtsanwälte, die diesen Fanatikern helfen. Es gibt Ärgernisse wie amnesty international, eine Gruppe, die sich wieder und wieder in die inneren Angelegenheiten meines Landes eingemischt hat. Die Sicherheitsdienste fühlen sich in dieser Situation nicht wohl. Sie fühlen sich mißverstanden, sie fühlen sich, als seien ihnen die Hände gebunden. Aber die maßgebenden Kräfte in meinem Land möchten noch einen Versuch mit der Demokratie wagen. Sie werden von anderen, sehr starken ausländischen Kräften gedrängt, befreundeten Kräften zwar, aber immerhin.« Ich hatte mich ein wenig in Fahrt geredet. Sie langweilte sich immer mehr. »Um es kurz zu machen: Was wir brauchen, sind effektive Mittel im Kampf gegen unsere inneren Feinde, die mit den Maßstäben der Demokratie gemessen werden können. Wie man uns sagt, arbeiten Sie an solchen Mitteln, und wir sind sehr daran

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