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Das Jahr der Maus

Das Jahr der Maus

Titel: Das Jahr der Maus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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Gute siegte über das Böse, die Gerechtigkeit setzte sich durch, und die Wahrheit triumphierte. Eben ganz wie im richtigen Leben.
    Laut dem Plot waren die höllischen Horden der Prinzessin in diesem Moment dicht auf den Fersen. Ich hörte schon, wie sie herangaloppierten und ihre furchterregenden Schlachtrufe ausstießen.
    Die Fliehende hieß bislang lediglich ›die Prinzessin‹; ich hatte mir noch keinen geeigneten Namen für sie ausgedacht. Sie sah auch nicht wie eine meiner früheren Freundinnen aus, ebenfalls mit gutem Grund – Prinzessin Mandy oder Tina oder Jackie hatte einfach nicht den richtigen Klang.
    Sie starrte mich an und schien zu wissen, daß es mir bestimmt war, eine wichtige Rolle in ihrem Leben zu spielen. Vielleicht war sie auch nur ziemlich verzweifelt.
    »Hilf mir!« flehte die Prinzessin.
    Es war vorgesehen, daß ich versuchen würde, sie zu retten, wenngleich zunächst noch ohne Erfolg. Sie würde in Ketten gelegt und verschleppt werden. Man würde mir den Talisman stehlen, und ich würde die üblichen Stellungen annehmen müssen: Gladiator, Meuchelmörder, Dieb, Söldner und dergleichen mehr. Genaugenommen bestand da kein grundsätzlicher Unterschied zu den Gelegenheitsjobs, zu denen freiberufliche Autoren sich manchmal gezwungen sehen, wenn in ihrer Kasse vorübergehend Ebbe herrscht.
    In diesem Moment trieb ein grauer Nebel langsam auf uns zu. Nebelschwaden sind äußerst nützlich, um Hintergrunddetails zu verbergen und sich so mancherlei Beschreibung zu ersparen. Außerdem sind sie sehr gut dazu geeignet, die dunklen Mächte hindurchreiten zu lassen und ihnen somit zu einem gruseligen ersten Auftritt zu verhelfen.
    Eine Zenturie (das sind insgesamt hundert) Barbarenreiter galoppierte aus den wirbelnden Nebeln. Grausame Krieger, mit Silber und Bronze gepanzert, die Gesichter hinter Tiermasken verborgen, an den Sätteln ihrer Rösser die bleichen Knochen und geschrumpften Köpfe ihrer Opfer, bewaffnet mit Schwertern und Lanzen, Äxten und Bögen.
    Ich fühlte mich in meiner Unterhose ziemlich verwundbar.
     
    Ich lächelte der Prinzessin freundlich zu und zuckte dann die Achseln, um ihr zu bedeuten, daß ich nicht viel ausrichten konnte.
    Sie wirkte entsetzlich verängstigt, was ich ihr gewiß nicht verübeln konnte.
    »Hilf mir«, flehte sie erneut.
    »Tja …« Es blieb nicht genug Zeit, um den Rest des Plots zu erläutern. »Im Moment sieht es schlecht aus«, sagte ich, »aber am Ende wird alles doch noch gut. Ehrlich.«
    Die Prinzessin würde eine Weile in einem Harem zubringen und dann an Bord einer Galeere gebracht werden, weil man sie den Geistern des Meeres opfern wollte. Dann würde sie durch den Schiffbruch und das Kapitel auf der Kannibaleninsel eine kleine Verschnaufpause erhalten. Das war das Tolle an Fantasyromanen: Der Autor konnte praktisch alles hineinstopfen, jede beliebige Ära oder Kultur, je mehr, desto besser.
    »Aber … bist du denn nicht Der, Der Verheißen Wurde?« fragte die Prinzessin. Sie mußte schreien, denn die Feinde kamen immer näher und brüllten ihre Mordlust heraus.
    Ich zuckte abermals die Achseln.
    »Du solltest mich doch eigentlich retten, nicht wahr?« bohrte sie nach.
    »Äh … das kommt später«, erklärte ich ihr.
    »Aber bist du denn kein Gott? Hast du all das hier etwa nicht erschaffen? Du kannst tun, was du willst. Also – hilf mir!«
    »Das ist nicht so einfach, wie es aussieht«, gab ich zu bedenken. »Ich würde dir ja gern helfen, aber …«
    Sie starrte mir beharrlich auf den Schritt. Der Grund dafür wurde mir klar, als sie schließlich verzweifelt ausrief: »Wo ist der Talisman?«
    Ich hatte mich das auch schon gefragt. Die Prinzessin mußte geglaubt haben, ich hätte ihn versteckt. Existierte er überhaupt?
    »Keine Ahnung«, rief ich.
    Die Prinzessin warf einen Blick über die Schulter. Der erste der maskierten Reiter stürmte auf sie zu.
    »Du blödes Arschloch!« schrie sie mich an, wandte sich ab und rannte davon.
    Ich wußte nicht, daß gewöhnliche Fantasycharaktere fluchen durften. Aber noch während ich darüber nachdachte, trennte ein einziger Axthieb den Kopf der Prinzessin von ihren Schultern. Eine Blutfontäne schoß aus ihrem Hals, und ihr lebloser Körper stürzte zu Boden. Ihr Kopf rollte in den Fluß. Das Wasser wurde rot, rosa, dann wieder klar.
    Sie ist nicht real, hielt ich mir vor Augen. Sie hat nie existiert. Sie ist nur eine Figur in einem Buch. Ich habe sie mir ausgedacht.
    Ich bemühte mich, nicht allzu

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