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Das Jahr der Maus

Das Jahr der Maus

Titel: Das Jahr der Maus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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Leider jedoch war das Papiergeld noch nicht erfunden worden.
    Ich steckte in Schwierigkeiten. Warum hatte ich nicht daran gedacht? Helden sollten sich keine Gedanken um Geld machen müssen, ebensowenig wie um Sprachunterschiede. Es war so dumm, eine solche Nebensächlichkeit. So nebensächlich, daß ich es völlig außer acht gelassen hatte; das war genau die Art von Detail, die ich korrigieren mußte, wenn ich das Buch schrieb.
    Mangelnde Finanzen hätten für einen Gott eigentlich kein wesentliches Problem darstellen sollen – und für einen Autor auch nicht. Ich bemühte mich verzweifelt, mir irgendeine plausible Ausrede für meine Mittellosigkeit einfallen zu lassen – daß mein Diener soeben mein Pferd in den Stall brachte und bald mit meinem Geld eintreffen würde oder daß mein Leibwächter draußen wartete und noch größer und dicker war als Terry. Aber ich konnte noch nie so gut reden, weshalb ich vermutlich auch Schriftsteller geworden war.
    Terry ragte vor mir auf. »Einen Heller für das Ale«, sagte er.
    Heller klang irgendwie nicht richtig; aber wenn Terry das sagte, sollte es mir recht sein.
    »Und es ist zudem ein sehr gutes Ale«, sagte ich und trank aus. »Bring mir noch eines.« Ein oder zwei Heller – das machte nun wirklich keinen Unterschied mehr.
    »Gern, Herr«, willigte Terry ein. »Sobald ich Euer Geld gesehen habe.«
    Sein Text klang ein bißchen abgedroschen, aber die Botschaft war unmißverständlich.
    »Äh … aaahhhh!« schrie ich.
    Ein paar Sekunden später lag ich draußen im Schlamm der Straße. Das Zeug stank grauenvoll, und ich hoffte, daß es sich wirklich nur um Schlamm handelte.
    Ich kam torkelnd auf die Beine und rutschte beinahe erneut in dem Dreck aus. Das ganze Dorf schien mich zu beobachten; jedermann lachte und spottete. Es hatte keinen Sinn, noch länger hier zu verweilen. Mit soviel Würde, wie ich noch aufbringen konnte, schritt ich von dannen. Genaugenommen humpelte ich. Ich hatte mir bei dem Sturz den linken Knöchel verstaucht, und jetzt schmerzte und pochte er bei jedem Schritt. Ich folgte dem Flußlauf, und sobald ich außer Sicht war, versuchte ich nach Kräften, mich und meine Kleidung von dem schmierigen Dreck zu reinigen.
     
    Was denn? Ein derartiger Vorfall war natürlich nicht vorgesehen. Ja, zugegeben, ich war eine Figur in einem Buch – aber eigentlich sollte ich der Held sein, oder?
    Laut dem ursprünglichen Plot hatte ich der Taverne zu Anfang keinen Besuch abgestattet, also war mein Schicksal womöglich gar nicht vorgezeichnet. Ich besaß meinen eigenen freien Willen, und ich hatte beschlossen, mir einen Drink zu genehmigen. Oder vielleicht glaubte ich auch nur, ich hätte eine solche Entscheidung getroffen. Ich konnte das unmöglich mit Bestimmtheit sagen.
    Aber wie auch immer die Antwort lautete, ich hätte nicht im Matsch landen sollen, und meinen Knöchel hätte ich mir auch nicht verstauchen dürfen. Fantasyhelden sind für gewöhnlich unverwundbar.
    Hatte mein Schöpfer vor, die Geschichte auf diese Weise beginnen zu lassen? Im Exposé hatte nichts dergleichen gestanden, aber möglicherweise würde sich das ändern, sobald das erste Buch tatsächlich geschrieben wurde. Falls ja, würden die Dorfbewohner zweifellos teuer dafür bezahlen, daß sie mich so schmählich behandelt hatten. Ich würde mit meinen loyalen Truppen zurückkehren, den Ort dem Erdboden gleichmachen und alle abschlachten. Vielleicht eine etwas zu strenge Bestrafung, aber in solchen epischen Sagas war dergleichen nun mal üblich. Niemand macht sich über den Protagonisten lustig und überlebt, um davon zu berichten – außer es gibt eine Fortsetzung.
    Selbst dann war dies kein besonders verheißungsvolles Einstiegskapitel. Mir gefiel nicht, wie sich die Dinge anließen – was aber meistens keine Rolle spielte, weil ich üblicherweise den größten Teil davon im weiteren Verlauf der Handlung ausbügelte. Aber sobald ich selbst den kapriziösen Launen irgendeines schlampigen Zeilenschinders ausgeliefert war, dessen Abgabetermin kurz bevorstand, sah die Sache schon ganz anders aus. Wer wußte, was mir noch alles zustoßen würde?
    Was war, falls ich getötet wurde?
    Oder konjunktivisch: Was wäre, falls ich getötet würde?
    Nein, das würde er mir bestimmt nicht antun. Ich selbst würde mir das nicht antun.
    Aber was war, wenn … Ich zögerte, denn ich zog nur äußerst ungern diese zusätzliche und potentiell sogar noch tödlichere Möglichkeit in Betracht: Was, wenn ich

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