Begriff. Ich nehme einen Fruchtcocktail.«
Ein richtiger Narziß, denkt Amber.
Während des Gesprächs stellt sich Phil als wacher Zeitgenosse heraus, der die Möglichkeiten des Herumreisens für gelegentliche Quicksilveraufträge nutzt. Ein helles Köpfchen, das Amber anbietet, bei Bedarf für einen interessanten Auftrag zusammenzuspannen.
Sie tauschen ihre Mailadresse aus, dann läßt sich Amber ein Taxi kommen. Sie hat ihren Bericht über die Hausmänner fertigzustellen. Nur frische Infos sind etwas wert.
Ein feiner Nieselregel hat eingesetzt, auf den nassen Straßen spiegeln sich die bunten Lichter der Schaufenster und Halosignete. Sie hat den Rückflug nach Singa noch nicht gebucht, weil sie ihren nächsten Auftrag abwarten wollte. Sie checkt auf ihrem Handy die neuesten Mails. Huang (schon wieder), ihr Boss Wen aus Beijing, Leda, Nelson und eine ganze Menge Nachrichten, die nach Werbemails riechen. Zuletzt eine Nachricht, daß wieder jemand versucht hat, Sifu zu hacken.
Nelson hat geschrieben, endlich. Amber klickt sein Mail an und überfliegt es im weichen Polster des Zürcher Taxis. Das ist besser als Easy und eine Nacht im Tropicana.
Message 23:
Trans: american-deutsch
From
[email protected] Aug 29 04:13 MT 2073
To:
[email protected]/5.singa
Subject: Re: xxx
Amber, du weißt nicht, wie sehr ich meine Heimat vermisse. Die Erde erscheint mir als der schönste Ort, den es im ganzen Universum gibt. Einen öden, kalten Planeten bewohnbar zu machen, ist im Grunde genommen ein völlig prätentiöses Unterfangen.
Ich bin Einsamkeit gewohnt, als Junge habe ich die Schafe meiner Großmutter gehütet und lebte tagelang unter den Sternen, fernab jeder Hütte und jeder Ortschaft. Aber diese Marseinsamkeit ist mit nichts zu vergleichen. Hätte ich nicht die Mails und die Feeldiskanlage im Camp, würde ich ausrasten.
Meine Arbeitskollegen sind alle sehr nett, wenn auch etwas seltsam. Sie sind absolut korrekt, freundlich, aber nicht in der Lage, wirkliches Mitgefühl zu zeigen. Ich habe ihre Biographien durchgecheckt, scheint alles in Ordnung, Eliteschulen, erstklassiges Training etc. Sobald ich auf Familie und Clan zu sprechen komme, beginnen sie auszuweichen.
Ich bin froh, Dich zu meinen Freunden zählen zu können. Deine Mails vom blauen Planeten bedeuten mir Leben. Weißt Du, daß ich das alte Orientierungssystem unserer Kultur hier anwende? Ich habe im Tharsis-Massiv vier Berge gefunden, die alle etwa gleich weit vom Camp entfernt sind. Jeder steht in einem der Kardinalpunkte. Der Türkisberg hat tatsächlich diese Farbe, ein tiefes, blaues Türkis. Solche Sachen helfen gegen das Heimweh. Etwas zumindest.
Weißt Du, daß ich der einzige bin, der die Tage bis zur Rückkehr zählt? 131 Tage bleiben mir, ohne den Rückflug gerechnet. Ich würde Dich gerne wiedersehen. Take care, Nelson
Amber wird es warm ums Herz. Wie klar die Gefühle werden, wenn eine derartige Distanz überbrückt werden muß.
Das Taxi hält vor dem Hotel, sie hält ihre Crednummer gegen den Sensor, der an der Rückseite des Fahrersitzes festgemacht ist, und rennt dem Hoteleingang zu, da es stark zu regnen begonnen hat. An der Reception hat Vinzenz eine Sonnenblume mit einer Karte hinterlegt. Er entschuldigt sich für den Zwischenfall – für den er ja nichts kann – und wünscht Amber einen schönen Aufenthalt in Zürich.
Im Lift schließt Amber die Augen, Ferien, freie Tage, am liebsten nach Cali, Nelson treffen und in den Tag hineinleben. Ob es die Motels in Malibu noch gibt? Sie werden bestimmt das meiste wieder aufgebaut haben. Auf Nelson warten, das gibt den Tagen ein Gerüst. 131 Tage sind 4 Monate plus der Rückflug, der etwa sieben Monate dauern wird. Ein knappes Jahr warten, das ist schnell überstanden. Mit einem metallischen Pling hält der Lift im zweiunddreißigsten Stock, eine Stimme ab Band wünscht ihr eine angenehme Nacht.
Beim Aufschließen der Zimmertür betätigen sich die voreingestellten Atmosphärenregelungen: Das Licht dimmt auf ein angenehmes Niveau, aus der AV-Anlage perlt Pianojazz, es riecht diskret nach Grapefruit und Zedernholz.
Amber zieht ihre Straßenschuhe aus und streift sich die Videobrille über den Kopf, nachdem sie das Kabel des Handys in den Netzanschluß in der Zimmerwand eingestöpselt hat.
Sie findet sich in einem hell erleuchteten Innenhof wieder, der von hohen Bambuspflanzen umgeben ist. Grillen zirpen, in der Nähe rauscht ein Bach. Amber spricht Sifus Namen. Vor