Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Jahr der Maus

Das Jahr der Maus

Titel: Das Jahr der Maus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
Vom Netzwerk:
ist erste Klasse und die Gefühlsmodule derart fein eingestellt, daß Amber sich trotz Müdigkeit angenehm aufgeregt fühlt. Hoffentlich wird Nelson verstehen, daß sie kein anderes Programm unter der Hand hatte.
    Nach dem Ende des Demonstrationsprogramms flimmern einige verschiedenfarbige Würfel auf, von denen sie einen fangen muß. Sie sind mit softporn, hi-sense, platonic, hardcore und tantra bezeichnet. Amber konzentriert sie sich auf den rosaroten mit der Aufschrift platonic, aber sie erwischt leider tantra. Der Würfel zerfließt mit dem leisem Klingeln eines Windspieles in der Hand, es riecht nach Ylang-Ylang und Sandelholz. Amber ahnt, daß sie das längste Programm gewählt hat und denkt mit einem Anflug von Unruhe an die gehäuften Fälle von Cyberabstürzen, bei denen Cybernauten bis zu drei Tagen nicht mehr aus den Feelprogrammen rausgeholt werden konnten. Hackerattacken der Zulus? Aber vor denen sollte sie im Moment sicher sein.
    Da sie die interaktive Version gewählt hat, wird sie nun nach dem Gegenpart gefragt. »Nelson Martinez«, spricht sie deutlich, »ID US886-TX-NAm-11112034.xd, New Fenix, Mars.«
    Vor ihr erscheint ein engelartiges Wesen, das ihr einen TouchSchirm hinhält, das folgendes Menü enthält:
     
    – In Cybermeditation warten bis Online-Kommunikation möglich ist
    – Jetzt aussteigen und pausieren bis sich Gegenpart als Online meldet
    – Programm abbrechen und verlassen
     
    »Sifu, haben wir eine Verbindung?«
    »Ich befinde mich bereits im NASA-Server, der Zugriff zu den Marsleitungen ist erwartungsgemäß gut geschützt. Ich lasse Joni die Sicherheitsschranken knacken, dann sollten wir durchkommen.«
    Amber wählt den zweiten Modus, Aussteigen und Warten. Um sicherzugehen, daß in der Zwischenzeit niemand den Raum betreten hat, checkt sie über die im Helm eingebaute Microkamera ihr Zimmer. Alles ist ruhig wie bisher, ihre Gastgeberin wird annehmen, daß Amber bereits schläft.
    Sie setzt sich auf einen der Sessel, streift den Datenhelm vom Kopf und spielt in ihren Gedanken einige Risikoszenarien durch. Sie wird Neuland betreten, im wirklichen wie auch im übertragenen Sinn des Wortes. Natürlich wird sie auf Nelsons Verschwiegenheit zählen müssen, wobei ihr Gegenpart kein Interesse daran haben wird, daß seine Verstöße gegen die Regeln der Astrobehörde bekannt werden. Und falls HanNet davon Wind bekommt, kann sie immer noch behaupten, die Geishas hätten sie zu diesem Kontakt gezwungen.
    »Amber, die Leitung ist stabil«, informiert sie Sifus ruhige Stimme, »Nelson ist bereit. Sicherheitshalber beschränken wir den ersten Versuch auf drei Minuten. O.k.?«
    Amber zieht den Helm über, nickt Sifu zu und schiebt den Vorhang zur Seite, der ihr den Blick in den Raum versperrt. Nelson sitzt vor einem Trainingssimulator mit dem Rücken zu seiner Besucherin. Er brummelt: »Einen Moment bitte, das Treffen erfolgt nicht zur verabredeten Zeit, ich stecke mitten in der Arbeit …«
    »Nelson, ich bin’s, Amber.«
    Der Astroworker springt mit einem Satz auf und zischt: »Fumi, das ist nicht lustig …« Als er die spärlich bekleidete, gut gebaute Blondine vor sich stehen sieht, verstummt er, wird blaß und läßt den Kiefer hängen.
    »Nelson, ich stecke in einem Avatar. Ich bin’s, Amber Gemini.«
    »Das glaube ich dir nicht. Beweise es.«
    »Nelson, ich habe nur drei Minuten Zeit. Also, der Name deiner Mutter lautet Alissa Soce, sie ist am Rande des Kaibito Plateaus aufgewachsen.«
    Nelson, der keinen Raumanzug trägt, obwohl dies den Vorschriften widerspricht, tritt ihr ungläubig einen Schritt entgegen: »Gemini, du überrascht mich immer wieder von neuen. Wie hast du das geschafft?«
    »Würde zu lange dauern, um es dir in allen Einzelheiten zu erklären. Eine plötzliche Eingebung, ein neues interaktives Programm, die Hilfe von KI [10] und die Lust dich wiederzusehen.«
    »Wenn du wüßtest, wie sehr ich mir so einen Besuch gewünscht habe. Überraschender Besuch von der …«
    »Scht, dieses Treffen ist virtuell.«
    Nelson greift nach einem graublauen Stein, der auf einem improvisierten Labortisch liegt: »Da, deine Belohnung: Du darfst den Glimmerstein berühren. Ich würde ihn dir gerne mitgeben, denn er ist ein schönes Exemplar. Ich schicke ihn dir mit dem nächsten Transporter.«
    Amber berührt vorsichtig die pudrige Oberfläche des Gesteinsbrockens. Silberne Einschlüsse funkeln zwischen türkisen und azurblauen Schichten. Als sie den Stein in die Hand nehmen will,

Weitere Kostenlose Bücher