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Das Jahr der Maus

Das Jahr der Maus

Titel: Das Jahr der Maus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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bricht auseinander und enthüllt den Spruch ›Die Zeit verhindert, daß alles aufs Mal passiert‹.
    Eine oberflächliche kryptische Botschaft mit einem wahren Kern. Die Zeit ist der Schlüssel zu den meisten Entwicklungen. Wie oft hat sich ein Problem von selbst erledigt? Eingriffe in Abläufe sind gut zu überdenken, denn jegliche Einmischung in das Leben anderer wirkt sich jedesmal auch auf die eigene Person aus.
    Jetzt mit Nelson zu reden würde guttun. Er ist ein aufmerksamer Zuhörer, der nie dreinredet und immer nur die Fragen stellt, die von Bedeutung sind. Ihm ist die Sprache zu wichtig, um bloß Small talk zu betreiben.
    Ambers Augen streifen durch den Raum, über die bequemen Sessel, das Wandregal mit einer kompletten Kommunikationsanlage samt Feeldisk, AV-Set und einem etwas altmodisch wirkenden Bildschirm. Daneben die Schnittstelle für den Cyberraum. Sind Kameras installiert? Wäre Leda alleweil zuzutrauen.
    Das gemeinsam verbrachte Jahr an der USC wird eine Erklärung liefern, denn damals sind sich alle Beteiligten zum ersten Mal begegnet. Leda war Ambers beste Freundin, wahrscheinlich weil sie sich als skandinavische Gaststudentin ähnlich fehl am Platz fühlte wie sie selbst. Xango und Lili ihrerseits waren das Traumpaar schlechthin, sie waren besessen von Sex, künstlicher Intelligenz und Freiklettern in den Wüstengebieten rund um die Millionenstadt.
    Nelson studierte Biotech, was hinsichtlich seiner Dine-Herkunft ungewöhnlich war, da sich die konservative Dine-Fraktion von je her gegen die Auswertung des Genom-Projektes gewehrt hatten. Mit menschlicher DNA herumzuspielen, schien in ihren Augen ein schweres Vergehen gegen die ihnen von Changing Woman und ihren Vorfahren überlieferten Traditionen zu sein. Erst bei ihrem Wiedersehen in Ulan Bator erfuhr Amber, daß Nelson von seinen Leuten den Auftrag zum Biotechstudium und fürs Astrotraining explizit erhalten hatte, um an der ersten bemannten Terraform-Mission teilzunehmen. Nur ein Mensch mit dem altüberlieferten und dem neuerlangten Wissen kann auf einem anderen Planeten in Einklang mit sich selbst und der ihn umgebenden Welt leben und den Ort für die Nachfolgenden auf die richtige Weise vorbereiten.
    Als Amber die Feeldisk von Leda auf dem Tisch sieht, die sie ihr nun seit zwei Monaten versprochen und ihr nach dem Essen überreicht hat, kommt ihr eine Idee. Sie könnte die 3D-Animation von Sifu daraufhin überprüfen lassen, ob nicht die ihnen fehlenden Programmteile für das Cybertreffen mit Nelson aus dieser Disk geliehen werden könnten.
    Amber zieht sich den Datenhelm über, lädt die Feeldisk auf die Anlage und steigt in den virtuellen Raum ein. Sifu steht mit dem Feeldiskprogramm bereit.
    »Sifu, bitte scanne LedaSwan auf allfälligen Gebrauch für unser Fenix-Projekt.«
    »Bereits erledigt: Das Hauptmenu hat zwar nichts mit Astroarbeit zu tun, eignet sich aber als stabile Konsole für ein Treffen mit Zeitverzögerung und eventuellen Unterbrechungen der Energiezufuhr. Darf ich anmerken, daß die Ausstattung der Disk im Gebiet der Han-Union wegen unflätiger Sprache und explizitem Sex klar zensiert würde.«
    »Ich befinde mich in Newbang, und auf dem Mars gibt es keine Zensur«, antwortet Amber. »Sifu, können wir gleich einen ersten Versuch starten?«
    »Natürlich, ich werde den Hackerschutz Joni aktiveren, den ich soeben fertig programmiert habe, und in höchster Alarmbereitschaft stehen. Ich hole dich beim leisesten Anschein einer Instabilität zurück.«
    »Danke Sifu, beginnen wir.«
    Amber hält kurz inne: Ist Nelson nach wie vor so verschlossen oder wird er sich über die Überraschung freuen? Was soll’s, der Nervenkitzel ist die Unsicherheit wert.
    Sie gibt Nelsons Adresse ein. Sifu gibt ein Wartezeichen durch, währenddessen die Daten zerschnippelt und auf den Weg geschickt werden, in einigen Minuten werden sie beim einsamen Marsarbeiter eintreffen.
    Amber befindet sich in einem wasserblauen Raum, der mit wellenartigen Mustern verziert ist. Sie wird kaum genug Zeit haben, sich ausgiebig mit LedaSwan vertraut zu machen. Deshalb wählt sie aus den verschiedenen Figuren, die ihr zur Auswahl stehen, die der Zuschauerin aus. Im FF-Modus läßt sie sich eine Demonstrationsanima vorführen. Dabei absolviert eine sehnige, kurvenreiche Blondine, die dem Leda-Avatar gleicht, und ein Hybridwesen, halb chinesischer Märchenprinz und halb schwarzer Schwan, eine eindrückliche Auswahl von Kamasutrastellungen. Die Auflösung des Bildes

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