Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Jahr der stillen Sonne

Das Jahr der stillen Sonne

Titel: Das Jahr der stillen Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilson Tucker
Vom Netzwerk:
reichte, war keine Bewegung auf den Straßen zu erkennen.
    Er sah zu dem geparkten Wagen hinüber. Das kompakte olivgrüne Fahrzeug hatte schon vor dem Schneefall dort gestanden, weil keine Reifenspuren auf der weißen Fläche des Parkplatzes zu sehen waren. Das linke Seitenfenster stand einen Spaltbreit offen, so daß Schnee ins Autoinnere gelangt war.
    Saltus suchte den Parkplatz, die Rasenflächen der Umgebung und die leeren Straßen ab, ohne irgend etwas zu sehen, was sich bewegte. Er horchte gespannt in alle Richtungen und sog prüfend die Luft ein. Aber nichts und niemand hatte sichtbare Spuren im Schnee hinterlassen, und der Wind trug Saltus weder Geräusche noch Gerüche zu. Als er die Überzeugung gewonnen hatte, daß niemand in der Nähe war, schloß er die Tür hinter sich. Er hielt sein Gewehr schußbereit, schlich zur nächsten Ecke des Laborgebäudes und beobachtete von dort aus das Gelände der Forschungsstation. Straßen, Gehsteige und Rasenflächen lagen unter einer geschlossenen Schneedecke, in der sich keine Spuren abzeichneten. Sein Fuß stieß gegen einen verschneiten Gegenstand, als er sich einige Schritte weit von der Ecke entfernte.
    Saltus sah zu Boden, bückte sich und hob ein Funkgerät aus dem Schnee auf. Es stammte aus den Lagerbeständen.
    Er untersuchte das Gerät und fand keine äußerliche Beschädigung; Moresby schien es nur zurückgelassen zu haben, um nicht durch sein Gewicht behindert zu sein. Saltus setzte seinen Rundgang fort, weil er feststellen wollte, ob er hier wirklich allein war. Die Schneedecke war auf allen Seiten des Gebäudes glatt und durch keine Spuren unterbrochen. Saltus atmete erleichtert auf und trank noch einen Schluck Bourbon.
    Dann befaßte er sich mit dem Auto.
    Das Instrumentenbrett verblüffte ihn, weil es nur drei Schalter und eine Kontrolleuchte aufwies; Benzinuhr, ölwarnlicht, Kühlwasserthermometer, Reifendruckanzeige und Tachometer fehlten erstaunlicherweise. Dann fiel Saltus plötzlich etwas ein. Er stieg wieder aus, öffnete die Motorhaube und stellte fest, daß der kleine Wagen von einem elektrischen Unterflurmotor angetrieben wurde. Als Saltus sich ans Steuer setzte und den Hauptschalter betätigte, leuchtete die Lampe kurz auf und erlosch wieder. Er stellte den Wählhebel auf V und trat vorsichtig aufs Gaspedal. Das Elektroauto fuhr lautlos an.
    Saltus lenkte den Wagen auf die Straße hinaus, steigerte die Geschwindigkeit und brachte das Auto dann absichtlich ins Schleudern. Es schlingerte und rutschte über die schneebedeckte Fahrbahn, kam jedoch sofort wieder unter Kontrolle, als Saltus das Lenkrad festhielt. Es machte Spaß, dieses kleine Auto zu fahren.
    Er folgte der Straße in Richtung zu dem Gebäude, in dem er mit William und dem Zivilisten gewohnt hatte, und ließ den Wagen unterwegs von einer Straßenseite zur anderen tanzen. Das erstaunlich wendige Fahrzeug reagierte auf jede Lenkbewegung. Es drehte sich um die eigene Achse, ohne die Richtung zu verlieren, konnte seitwärts rutschen, ohne gleich umzukippen, und fuhr selbst auf schneebedeckter Fahrbahn ruckfrei an, sobald er das Pedal durchtrat. Saltus hielt dieses Elektroauto mit Vierradantrieb für einen ideale Entwicklung, die schon Jahrzehnte früher hätte auf den Markt kommen sollen.
    Saltus hielt enttäuscht vor dem Gebäude – oder vielmehr vor der Stelle, an der es früher gestanden hatte. Es war bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Er stieg aus, um die traurigen Überreste zu betrachten, die in der Wintersonne lange Schatten warfen. Dann fuhr er deprimiert auf der E Street weiter.
    Er parkte den Wagen am Zaun des Erholungsgeländes und betrat es vorsichtig durch das offenstehende Tor. Die geschlossene Schneedecke ohne Spuren war beruhigend, aber Saltus gab sich keinem falschen Sicherheitsgefühl hin. Er hielt sein Gewehr schußbereit und blieb mehrmals stehen, um die Umgebung zu beobachten, während er sich dem Swimming-pool näherte. Dann stand er am Beckenrand und sah hinein.
    Der Swimming-pool war fast leer. Das Wasser war abgelassen, das Sprungbrett abmontiert worden. Aber das große Becken war nicht völlig leer: auf seinem Boden lagen fünf oder sechs Körper unter dem Schnee. In ihrer Nähe erkannte Saltus zwei Stahlhelme. Ein nackter, steifgefrorener Fuß ragte aus dem Schnee.
    Saltus wandte sich niedergeschlagen ab. Er wußte nicht recht, was er nach so langer Zeit erwartet hatte – aber jedenfalls nicht dies hier: Soldatenleichen in einem offenen Grab. Die

Weitere Kostenlose Bücher