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Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Titel: Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dittrich Verlag GmbH
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mühelos entfernen. Noch mal kräftig ausgespült, fertig. Na klar, sagte ich mir, eine Hauskatze bedeutet Verantwortung. Hat dich ja keiner gezwungen …
    »Ich muss gleich noch mal los und Katzenstreu und ein paar Dosen kaufen«, sagte ich. War mir scheißegal, was der Türke in diesem Augenblick von mir dachte, ob er mich womöglich für bescheuert hielt. Irgendein Hippie, der in Istanbul gewesen war, hatte mir mal erzählt, die Türken würden Katzen und Hunde ziemlich mies behandeln.
    Doch der Türke zuckte nur mit den Achseln. »Ist wohl unvermeidlich, wenn du das Vieh behalten willst. Ich frage mich nur, ob du hier noch lange wohnen wirst. Und dann stellt sich die Frage, ob du die Katze, ihre Toilette und die Whiskas-Dosen auf der Flucht dabeihaben willst. Ich mein ja nur.«
    Während ich den Inhalt der letzten Ölsardinen-Dose an das Tier verfütterte und dem keineswegs gierigen, eher behaglich klingenden Schmatzen des Katers lauschte, murmelte ich, und es hörte sich wie eine wichtige Entscheidung an: »Ich werde ihn Elvis nennen.«
    »Den Kater?«
    »Wen denn sonst? Etwa meinen Schwanz? Der heißt seit einer viertägigen Dauererektion im Sommer 1969, als ich wie ein Wahnsinniger Mädchen flachlegte – etwa ein Dutzend, eher mehr – und so was von fertigmachte, Dschingis Khan.«
    Ich hätte mir denken können, dass er mit Scherzen aus der Abteilung
abartig, schräg, bekloppt
nicht viel anfangen konnte. Aber er glotzte mich nur für Sekunden irritiert an, kurvte gedanklich verständlicherweise durch eine ganz andere Galaxie, seine Zigarette brannte ab wie eine Zündschnur, so saugte er daran, Glut auch in den Augen, mehr als Glut, es war ein Feuer. »Sag mal, weißt du eigentlich, was hier los ist?« Sein Blick versengte mich fast. »In dieser Tasche sind – oh Scheiße, ey – fast 100 000 Dollar, also über 200 000 Mark. Keine Blüten, alles echt. Mann, ey, ich flipp aus, ey, eine Tasche, vollgestopft mit Kohle, märchenhaft. Du bist jetzt ein reicher Mann.«
    So ganz teilte ich seine Gefühle nicht. Vor allem fand ich das Wort
märchenhaft
unangebracht. Okay, ich wusste ja, dass es in vielen Märchen verdammt brutal zuging, aber meistens folgte schon bald das für die psychische Gesundheit der Kinder so wichtige Happy End, das ich mir für unsere Geschichte momentan noch nicht vorstellen konnte. Und dann war da noch die andere Sache: »Wie es aussieht, hat mir Berti tatsächlich vertraut. Ich hab noch nie jemanden abgelinkt. Das ist ein echtes Problem für mich. Wahrscheinlich ist da jetzt schon die Kacke am Dampfen. Mann oh Mann, mir wird gleich schlecht. Von nun an muss ich in jeder Straße, durch die ich gehe, in jeder Kneipe, in jeder U-Bahn-Station auf der Hut sein.«
    Mit offenem Mund starrte mich Bülent an. »Hä? Was redest du da? Glaubst du, die Situation sähe für dich besser aus, wenn es Falschgeld wäre? Der Typ wollte dich auf jeden Fall benutzen, ist doch klar. Wer weiß, was dich in Winterhude erwartet hätte – oder was du da hättest transportieren sollen. Und dafür hättest du keine müde Mark bekommen. Sollte ja angeblich so ’ne Art Test sein. Aber ist sowieso scheißegal. Es führt kein Weg zurück. Zumal du dem Perser großzügig zwei Hunderter geschenkt hast. Für mich …, Moment, lass mich ausreden, … führt nämlich auch kein Weg zurück. Ich werde meinen Militärdienst nicht antreten. Ich will frei sein, so frei wie du.«
    »Dein Vater sucht vielleicht schon seine Pistole«, sagte ich, weil mir nichts Besseres einfiel.
    Verächtlich winkte Bülent ab. »Der kramt die Waffe nur hervor, wenn Besuch da ist, und dann nehmen die Männer das Ding fachmännisch auseinander und setzen es wieder zusammen. Hab ich dir doch schon gesagt.« Doch er wurde nachdenklich. »Ich muss aber gleich mal runtergehen und mich blicken lassen. Ich bin seit dem Vormittag weg. Das kennen die nicht von mir.«
    Der Typ erstaunte mich mehr und mehr. Einerseits das Verharren im türkischen Umfeld mit seinen türkischen Gesetzen, andererseits die beachtliche Auffassungsgabe, das tadellose Deutsch, die Fähigkeit, das Bedürfnis, über den Tellerrand hinaus zu blicken. Meine Sympathie wuchs kontinuierlich.
    »Was wirst du denn mit deinem Anteil machen?«
    »Anteil?« Sein Gesicht zuckte vor Erregung und Verlegenheit. »Wie hoch ist denn mein Anteil?«
    Ich hob die Schultern. »Nun ja, ich dachte, wir teilen gerecht, jeder die Hälfte.«
    Zwei, drei Tränen tropften aus seinen Augenwinkeln, er beugte

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