Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Titel: Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dittrich Verlag GmbH
Vom Netzwerk:
stieß Bülent zu meinem und wohl auch zu seinem Erstaunen hervor.
    »Was ist denn mit dir los?«, raunte ich in sein Ohr.
    »Wieso? Muss ich dich erst um Erlaubnis fragen?«, raunte er zurück.
    »Du hast keine Ahnung, auf was du dich einlässt«, knurrte ich unterdrückt.
    »Du hast von mir keine Ahnung«, zischte Bülent.
    »Aber vom Alkohol, du Unwissender«, murmelte ich mit schiefem Mund.
    Aufgekratzt unterbrach Doris das Zwiegespräch: »Mann, ist ja’n Ding, dass ich dich hier in Bad Harzburg wiedersehe. Sag bloß, du arbeitest hier. Du hast mir bestimmt ’ne Menge zu erzählen. Aber wie kommt’s, dass du ausgerechnet hier bist, ich meine, auf einer typischen Weihnachtsfeier für Spießer, ich meine, einen trostloseren Ort kann man sich doch gar nicht vorstellen. Oder hast du einfach nur Lust, dich mal wieder richtig zu ärgern?« In ihrem Lachen lag Verwunderung.
    Mein Grinsen enthielt eine deftige Portion Bitterkeit. Eigentlich hatte ich diese Frage ganz locker beantworten wollen. Inhaltlich war es auch der eingeübte Spruch. Aber die Form! Oh Gott. Zitternde Stimme, Geräusper, vermutlich bebende Lippen, flatternde Augenlider. »Ich wollte deinen neuen Geliebten live erleben.«
    »Meinen neuen Geliebten?« Sie musterte mich irritiert. »Ich weiß ja nicht, wie du drauf kommst, dass ich mich mit einem neuen Geliebten in einem so beschissenen Saal vergnügen würde, aber ich habe keinen neuen Freund. Deine Eifersucht kannst du also erst mal wieder einpacken. Wegen Siegfried Rupf bin ich hier, weil er mich gebeten hat zu kommen. Der Elvis-Imitator. Ich kenne ihn seit einigen Wochen. Wir treffen uns manchmal in einer Kneipe. Er ist einfach nur ein netter Kerl, mit dem man sich gut unterhalten kann, so lange es nicht um allzu anspruchsvolle Dinge geht. Er wohnt hier in Bad Harzburg und hat öfter Auftritte in den Harz-Städtchen, in Goslar, Hildesheim, singt aber nur die langsamen Elvis-Songs gut –
Are You Lonesome Tonight, Don’t, Love Me Tender
, die ganzen Schnulzen, die ich scheiße finde.«
    »Na gut«, sagte ich, ein bemühtes Grinsen aufsetzend, aber schon einen Zipfel von Hoffnung verspürend, »jetzt hast du mir ja den größten Teil der Rupf-Vita erzählt. Ich schätze, viel mehr wird da auch nicht zu berichten sein. Im Harz aufgewachsen, im Harz geblieben, im Harz wird er sterben.«
    Ihren tadelnden Blick hatte ich eigentlich nicht hervorrufen wollen. Um abzulenken, verbreiterte ich mein Grinsen und schob, scheinbar locker, neckisch nach: »Dass er dich in einem Café geküsst hat, ist wohl nur aus Dankbarkeit geschehen, oder? Weil du für ihn mitbezahlt hast.«
    Sie starrte mich mit schmalen Augen an, aufgebracht, enttäuscht. Juana und Bülent starrten mich ebenfalls an, verwundert und beunruhigt. »Spionierst du hinter mir her?« Wenn Doris die Wörter so dehnte, das wusste ich, lag Ärger in der Luft. »Das find ich überhaupt nicht witzig. Du sprichst von gestern? Als ich mich zu ihm beugte? Ich hab ihn nicht geküsst, du Ochse, ich hab ihm was ins Ohr geflüstert.«
    Mein Gewissen war, zumindest in dieser Hinsicht, makellos rein. »Ich bin dir nicht nachgeschlichen. Das war Zufall. Ich betrat das Café, weil mich der typische Cafégeruch angelockt hatte. Plötzlich sah ich dich – und den Dicken, dann rannte ich verstört ins Freie. Was hast du ihm denn ins Ohr geflüstert? Schmutzige Wörter?«
    Ihr schallendes Lachen signalisierte Entwarnung. Die beiden anderen wirkten so erleichtert wie ich. »Soll ich dir ein paar schmutzige Wörter ins Öhrchen flüstern?«, fragte ich, nun wieder ganz obenauf.
    In diesem Moment verstummte die Musik, der Ansager, ein fülliger Mann in einem zu engen Anzug, sprang, nicht ganz so leichtfüßig wie vermutlich geplant, auf die Bühne, der kümmerliche Rest seiner Haare lag wie angeleimt auf der Glatze. Wenn er dem Mikrofon zu nahe kam, stießen die Lautsprecher ein schmerzhaftes Fiepen aus. Nach der öligen Begrüßung und der gewagten Behauptung, an diesen Abend würden die Gäste noch Jahre später mit Wehmut denken, ratterte er eine Reihe angefaulter, zum Teil schon verwester Witze herunter, war sichtlich dankbar für jeden Lacher, hatte aber offenbar die Leidensfähigkeit des Publikums überschätzt, denn bald waren erste Unmutsäußerungen und Drohungen zu vernehmen, er wurde von Witz zu Witz unsicherer und stammelte schließlich nur noch wirres Zeug.
    Bülent schien die Whisky-Cola-Mischung zu genießen – was mich schon wegen des Whiskys

Weitere Kostenlose Bücher