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Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Titel: Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dittrich Verlag GmbH
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verklebt, strich auf dem Weg zur Tür mit den Händen über meine wirren Haare.
    Bülent, na klar. Er sah alles andere als erholt aus. Eher wie einer, der von Vampiren ausgesaugt und vergewaltigt worden war. Meine Nacktheit schien ihn zu irritieren. Er riss den Mund auf.
    »Sag mal, spinnst du?«, fuhr ich ihn an.
    »Habt ihr Juana gesehen?« Seine Augen fuhren suchend, unruhig flackernd hin und her, jagten Blicke in jeden Winkel.
    »Was soll die bescheuerte Frage, Mann? Du hast uns aufgeweckt! Bis du versucht hast, die Tür einzuschlagen, haben wir fest gepennt!« Rüder Tonfall, war mir klar, aber drauf geschissen. Wo waren denn meine Klamotten? Ach da, zusammengeknüllt und vermischt mit Doris’ Sachen in einer Ecke. Auf der Suche nach meiner Hose rupfte ich die Wäschestücke auseinander.
    Doris, blinzelnd, hob den Kopf vom Kissen. Sie sah auch nicht gerade taufrisch aus, war sich dessen wohl auch bewusst, aber ohnehin nicht allzu schamhaft zeigte sie gern, was an ihr dran war und lag da, von der Decke nur zum Teil verhüllt. »Wassen hier los, hä?«
    »Juana! Sie ist weg, verdammt, die Nutte hat mein ganzes Geld geklaut. Oh Mann, ey, Scheiße, ey. Dabei geht’s mir sowieso so dreckig wie noch nie zuvor in meinem Leben. Ich bin todkrank. Alkohol ist das reinste Gift.«
    Was ich in Bülents Augen sah, gefiel mir ganz und gar nicht. Doris, noch halb in Morpheus’ Armen kuschelnd, murmelte verständnislos: »Juana? Wie bitte? Ey, Moment mal! Wieso das denn?«
    »Komm rein«, sagte ich widerstrebend und mich auf einmal wegen meiner Nacktheit unwohl fühlend. Aha, ganz unten, Hose, Unterhose, was nur heißen konnte, dass ich mich schneller entkleidet hatte als Doris.
    Trotz des Feuers der Erregung, das in ihm loderte und ihn antrieb, schob sich Bülent eher zaghaft in die übel riechende, verbrauchte Luft des Zimmers und somit näher an das Bett, in dem eine kaum bedeckte, nackte Frau lag, die vom Alter her seine Mutter hätte sein können, aber immer noch verdammt attraktiv aussah, näher an die frei herumliegenden Brüste, diese schönen Brüste, deren Besitzerin seltsamerweise gar nicht daran dachte, sie zu verbergen und damit den Blicken des Eindringlings zu entziehen.
    Bülent räusperte sich demonstrativ, lenkte den Blick mit aller Kraft zur Seite, auf die belanglose und zudem vergilbte Tapete, summte verzweifelt und hoffnungslos ein anatolisches Volkslied, fühlte sich jedenfalls unbehaglich und ließ den Blick wieder wandern. Dann sah er das Blut, deutete irritiert darauf und fragte heiser: »Was, was ist …, wie kommt das Blut …?«
    Ich erklärte ihm mit knappen Sätzen den Kampf zwischen Elvis und Lore. Das tat ich nur ungern, da ich annahm, es würde Bülent noch mehr irritieren und seine Vorbehalte gegen Deutsche wieder aufleben lassen – wenn dazu nicht schon die Weihnachtsfeier beigetragen hatte. Ob Vorbehalte oder nicht – auf jeden Fall weitere Verwirrung. Und die wurde zu allem Überfluss durch Doris noch befeuert:
    Meine Freundin schälte sich unbeholfen aus dem Bett, stand auf, nackt, nackt, nackt, völlig nackt, so was von nackt, tapste unsicher ins Bad, ihre Pobacken bewegten sich auf eine erotische Weise, die den Zuschauer schwindlig machte, das kannte ich, und aus den Augenwinkeln verfolgte ich, nun ja, zugegeben, genüsslich Bülents Reaktion. Er hatte total die Kontrolle verloren, war nicht in der Lage, den Blick von ihr zu wenden. Ein Stöhnen, oder vielmehr ein Knurren drang aus den Tiefen seiner Brust.
    Doris pinkelte, verschlafen auf den Boden starrend, und wie gewöhnlich bei offener Tür und ließ, Bülents Verunsicherung bis zur Schmerzgrenze steigernd, Unmengen aufgestauten Urins in die Kloschüssel plätschern. Schließlich erhob sie sich, wischte mit lässig abgerissenem Klopapier ihre Möse ab und betätigte die Spülung. Bülent, keuchend, setzte sich auf den Stuhl, beugte sich vor und drückte die Unterarme krampfhaft auf die Erektion in seiner Hose. Er hatte schon aufgewühlt unser Zimmer betreten, es ging ihm ohnehin dreckig, das sah man sofort, aber jetzt schien er den Verstand zu verlieren. Schweißperlen auf seiner Stirn. Es konnte am Katzenjammer liegen. Konnte aber ebenso gut am Wahnsinn liegen. Ich machte mir ernsthafte Sorgen um ihn.
    »Juana hat mich beklaut«, stöhnte er. »Meine ganze Kohle ist weg. Oder fast alles, genau 14 000 Dollar. Jetzt hab ich nur noch das Geld in meiner Hosentasche, lumpige 400 Mark. Ich bin gescheitert. Ich hab verloren.«

G ANZ AUF

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