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Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Titel: Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dittrich Verlag GmbH
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wirst
du
eingeschläfert«, knurrte ich, an Höflichkeit momentan nicht die Bohne interessiert.
    »Ich soll
was
? Eingeschläfert werden? Das ist ja wohl das Letzte, das ich mir von einem Kerl sagen lassen muss!« Lores Stimme wurde schrill, und ich fragte mich schon die ganze Zeit, ob die anderen Gäste des Hotels alle Schlaftabletten intus hatten oder zu ängstlich waren, um sich zu beschweren. Sie knöpfte die Bluse zu, erhob sich schwerfällig, dann fiel ihr etwas ein. Ihr Finger zeigte auf Doris. »Du kannst hier nur schlafen, wenn der volle Doppelzimmerpreis bezahlt wird.«
    Verächtlich den Mund verziehend, nickte ich. »Wird gemacht. Wenn du jetzt bitte gehen würdest.«
    Mit vorgerecktem Kinn rauschte Lore hinaus. Ich grinste gemein und drehte sofort den Türschlüssel um. »Sie hat den Bourbon stehenlassen«, kicherte ich, goss die Zahnputzgläser voll und deponierte sie im Bad. Es klopfte. Natürlich Lore. »Ihr glaubt wohl, ich hätte den Whisky vergessen.« Schnappte sich die Flasche und torkelte davon.
    Die plötzliche Ruhe kam mir zu meinem Erstaunen keineswegs wohltuend, sondern beschissen bedrückend vor. Angst vor der Stille. Spontane Erinnerung an die Wochen der Einzelhaft. Doch es gab ja den Kassettenrekorder. Ich drückte die Starttaste, hatte keine Ahnung, welche Kassette drin steckte, hoffte nur inständig, sie würde die Lage mit Würde anreichern, dann setzte ich mich auf die Bettkante, Doris saß breitbeinig, mit der Lehne vor ihrer Brust, auf dem Stuhl. Wir waren beide erschöpft, tranken und rauchten, als hätten diese scheinbar notwendigen Tätigkeiten eine ebenso wichtige Funktion wie das Atmen.
    »Kommst du morgen mit mir?« Ich schaute sie gar nicht an, aus Angst, sie könne ein schlechtes Zeichen in meinen Augen entdecken.
    »Wohin?«
    »Du hast die Wahl.«
    Nachsichtig lächelnd schüttelte sie den Kopf. »So schnell geht das nicht. Du weißt doch, wie das ist. Ich kann Juana nicht hängen lassen. Die andere Kollegin ist fort, kommt erst in drei Tagen wieder.«
    »Na gut«, brummte ich enttäuscht, wenn auch berauscht von der Vorstellung mit abzuhauen. »Kommst du denn nach den drei Tagen mit?«
    Ihr Lächeln veränderte sich nur ganz leicht, aber das genügte, um den Ausdruck von Abgeklärtheit anzunehmen. Vielleicht war es auch nur das sinnlose Lächeln einer Betrunkenen.
    Doch sie sprach flüssig und deutlich: »Ja, okay, dann komme ich mit.«
    Oh Mann, affengeil! Genau das, was ich hatte hören wollen. Ich hätte schreien können. Alles war gut, oh Gott. Ja, eigentlich war die ganze verdammte Welt gut – von ein paar Arschlöchern, die auf Härte standen und besoffenen Frauen, die sich mit Straßenkatern anlegten, einmal abgesehen. Schönes Leben, schöne Welt. Psychisch offenbar unverletzt, kam der Killer-Kater unter dem Bett hervor, gähnte cool und streckte sich.
    »Say the word – and you’ll be free …!«, sangen die Beatles netterweise in diesem Moment, und alles passte zusammen, »say the word – and be like me – say the word – I’m thinking of – have you heard – the word is love …!«
    Ach ja, die Liebe, dachte ich, von einem bittersüßen Gefühl durchdrungen. Früher Morgen, tristes Zimmer, Schneeflocken trieben gegen die Fensterscheiben und schmolzen sofort. Ich war fasziniert von der Weisheit hinter dem schlichten Text, die mir jetzt erst auffiel. Die Beatles als Philosophen. So hatte ich sie noch nie zuvor gesehen. Natürlich die Liebe, was sonst? Und nicht nur die Liebe zwischen Doris und mir, sondern die alles umfassende Liebe. Aber möglicherweise war ich auch einfach nur stockbesoffen und hätte zu dieser Stunde sogar Ronald Reagan, dem reaktionären Gouverneur von Kalifornien, philosophische Tiefe zugestanden. Oder Elvis, dem Killer-Kater. Aber kack drauf – was wirklich zählte, war die Übereinstimmung zwischen Doris und mir.
    Wir sahen uns an und wussten erneut, dass wir zusammengehörten.
    Tock, tock, tock! Nicht das normale, respektvolle Klopfen, sondern schmerzhaft laut. Die Tür vibrierte.
    »Welches gottverdammte Arschloch …?« Vier, fünf Varianten strichen durch mein Hirn. Die Polizei-Variante stand natürlich immer ganz oben auf meiner Ekel-Liste, die Berti-Drossel-Variante kam mir unwahrscheinlich vor, dann gab es noch Lore, seelisch an der Grenze zum Wahnsinn angelangt, den verzweifelten Siegfried Rupf und – ja, wen noch? Bülent. Na klar, fast vergessen. Wie spät? Verpennt und stinksauer wälzte ich mich aus dem Bett, nackt und

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