Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Titel: Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dittrich Verlag GmbH
Vom Netzwerk:
R ISIKO
    Laszivträge, doch ohne sich dessen bewusst zu sein, stieg Doris in ihre Klamotten. Ihr Achselzucken verstörte mich, denn es wirkte so teilnahmslos. Sie schien die Angelegenheit recht gelassen zu sehen. »Na ja«, sagte sie in neutralem Tonfall, »ich meine, Juana hat’s verdammt schwer. Hat einen querschnittsgelähmten Mann und zwei Kinder in Spanien. Sie arbeitet sich hier den Arsch ab, um Kohle nach Hause schicken zu können. Wahrscheinlich hat sie nur an ihre Familie gedacht. Kann ich irgendwie verstehen.«
    Ich sah sie missbilligend an. »Heißt das etwa, du würdest uns zum Wohl deiner Familie genauso beklauen?«
    Sanftes Lächeln. »Ihr seid doch meine Familie. Mit anderen Leuten hab ich nichts zu tun. Außerdem weiß ich auch gar nicht, wie ich an Juanas Stelle gehandelt hätte.« Und mit schiefem Grinsen: »Abgesehen von ein paar Maschinenpistolen hab ich ja noch nicht groß was geklaut. Zumindest in den lezten Jahren nicht.«
    »Sie ist verheiratet und hat zwei Kinder?« Bülent sah aus, als hätte er soeben erfahren, dass sein richtiger Vater ein Rabbi aus Haifa sei. »Warum, verdammt noch mal, hat sie mir das nicht gesagt?«
    Müder Augenaufschlag – und auch sonst wirkte Doris noch immer oder schon wieder müde. »Hatte wohl keine Lust, es dir zu sagen, was weiß ich. Man muss doch dem Typ, mit dem man ins Bett geht, nicht vorher sein ganzes Leben erzählen. Mein Gott, wo leben wir denn?«
    Diese Frage schien sich der junge Mann auch zu stellen. Er wirkte schwer angeschlagen und hatte sich gestern eine derart brutale Lektion zum Thema
Leben in freier Wildbahn
garantiert nicht vorgestellt. »Das ist zu hart, Mann«, stöhnte er. »Ich dachte, ich sei härter. Diese Zusammenballung hat mich umgehauen. Zum ersten Mal mit einer Frau im Bett. War klasse. Zum ersten Mal besoffen. War anfangs ganz witzig. Ich verliebe mich volle Kanne in die Frau, wegen erstes Mal und so. Frau verpisst sich einfach, nimmt die Kohle mit, Freundin des Freundes läuft nackt vor meinen Augen herum, pisst in meiner Gegenwart, Freund und dessen Freundin sehen zwangsläufig die Erektion in meiner Hose und tun so, als sei es das Selbstverständlichste auf der Welt, überall und jederzeit einen, hm, hm, na ja, einen … Ständer zu haben. Das scheint ein wichtiger kultureller Gegensatz zur Moral der Türken zu sein. Doch das Schlimmste, sage ich euch, das Übelste, Gemeinste ist der sogenannte Kater. Nicht Elvis – der Kater in mir, in meinem Kopf und überall. Jetzt weiß ich immerhin, wie’s einem geht, der einen Kater hat. Man soll ja möglichst viele Erfahrungen machen, um die ganze Bandbreite des Lebens kennenzulernen, nicht wahr? Auch meine Meinung. An sich. Aber diese Erfahrung hätt ich mir gern erspart. So krank war ich noch nie. Kopfschmerzen im Takt des Pulsschlags, wie Hammerschläge, klopfen das gesamte Innere meines Körpers weich, zertrümmern alles in mir. Ich bin über Nacht ein alter Mann geworden.« Er schloss für einen Moment die Augen, um das Selbstmitleid intensiv zu erleben. »Verfluchter Alkohol«, murmelte er erschöpft, streichelte beiläufig den Killer-Kater, hatte ja die Zerstörungskraft der kleinen Bestie nicht erlebt.
    »Juana hat mir den Glauben an die Frauen genommen«, sagte er allen Ernstes. Ich wusste natürlich, dass er Unsinn redete, da ein so primitiver, pauschaler, unreflektierter Glaube an die Frauen, also an über fünfzig Prozent der Menschen, eine sehr schwammige, wenn nicht gar dämliche Einstellung voraussetzte, klinkte mich aber taktisch geschickt ein und trumpfte auf: »Siehst du, Doris, so ist das mit der Kollegialität. Juana hat dich bedenkenlos im Stich gelassen. Feine Freundin, kann ich da nur sagen.«
    »Ja, ja, schon gut. Juana kann ja nicht einfach 14 000 Dollar klauen und dann zur Arbeit erscheinen, als wäre nichts geschehen. Ich muss trotzdem noch drei Tage bleiben. Es geht einfach nicht, dass ich von heute auf morgen alles hinschmeiße, tut mir leid, liegt vielleicht an meinem genetisch bedingten Verantwortungsbewusstsein.«
    Ich verzog genervt den Mund. »Was soll denn der Scheiß? Genetisch bedingtes Verantwortungsbewusstsein. Meines Wissens haben sich deine Alten dir gegenüber nicht sehr verantwortungsbewusst verhalten. Stimmt doch, oder? Hast du mir ja erzählt.«
    Nun war es an ihr, genervt den Mund zu verziehen – und nicht nur den Mund, das ganze Gesicht. In beißendem, scheinbar endlos geduldigem, aber tatsächlich sarkastisch gemeintem Ton faltete sie

Weitere Kostenlose Bücher