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Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Titel: Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dittrich Verlag GmbH
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Körperkontrolle, penible Anleitungen zur Hygiene der Geschlechtsorgane, zum stundenlangen – tage–, wochenlangen? – Hinauszögern des Höhepunkts, und bei genauer Befolgung aller Anweisungen angeblich Orgasmen allererster Sahne. Von dieser Erfahrung hatte Doris mir nie auch nur ein Sterbenswörtchen gesagt. Warum wohl? Vielleicht, dachte ich, ist Doris in sexueller Hinsicht von mir alles andere als begeistert, nimmt meine uninspirierte Performance im Bett aber schicksalsergeben in Kauf, weil sie mich liebt, anderer Qualitäten wegen. Schön und gut, wenn’s so gewesen wäre, tröstete mich aber nicht die Bohne, weil ich nämlich auch als verdammt guter Ficker gesehen werden wollte. Vor allem von Doris, klar, aber auch sonst, überhaupt, von allen Frauen, mit denen ich jemals das Vergnügen gehabt hatte – mal von den ganz frühen Rammeleien abgesehen. Auf alle Fälle nagte dank der breit, ausführlich und von Eddy obendrein genüsslich ausgewalzten Kamasutra-Scheiße die Unsicherheit rattenhaft an meinem Selbstwertgefühl, und ich fragte mich, das Nagen in mir spürend, ob ich jemals wieder einen hochkriegen würde.
    »Aber jetzt erzählt ihr doch mal’n bisschen aus eurem Leben«, forderte Eddy Bülent und mich gönnerhaft auf. Na gut, konnte er haben. Bülent kam mit wenigen Sätzen aus und war daher schnell fertig. Ihm schien sein bisheriger Lebenslauf peinlich zu sein. Bestimmt ging ihm jetzt wieder alles durch den Kopf: die Ereignislosigkeit seines Alltags, die Begrenztheit des Viertels, der Verdacht, im Gegensatz zu den Deutschen seines Alters verdammt wenig mitbekommen zu haben.
    Was mich betraf, so sprach ich geradezu mit Hingabe von mir, vielleicht insgeheim hoffend, dem Kerl ein paar Gruselschauer über den Rücken jagen zu können. Klappte aber nicht. Er lauschte gespannt, ja es sah in der Tat so aus, als wäre er fasziniert. Das ging für mich auch in Ordnung. »Mann, Alter!«, rief er am Ende bewundernd – als hätte ich ihm imponiert. »Das ist ja voll abgefahren! Der ganz fette Blues! Mit so ’ner Biographie auf dem Buckel geht man entweder irgendwann unter, oder man macht was draus. Intelligente Typen wie du sollten fähig sein, irgendwie Kapital daraus zu schlagen.«
    Was war das jetzt?, dachte ich misstrauisch, wie hat der Sack das nun gemeint? Als Lob? Sarkastisch? Schleimig? Belehrend? Dennoch gefiel mir das Gesülze – und fast hätte ich auch einen Zug von dem kreisenden Joint genommen, unterließ es aber aus Angst, danach auf die anderen wie ein Narr zu wirken, zum idealen Opfer ihres perversen Belustigungsbedürfnisses erniedrigt zu werden. Nicht mit mir. Ich kannte die Abläufe, hatte ja oft genug mit Bekifften zusammengesessen, mit kichernden Arschlöchern, die sich mit ihren rotgeäderten Glupschaugen unter dicken Lidern zuzwinkerten, scheinbar telepathisch miteinander verbunden, und sich ohne Worte oder – noch gemeiner – konspirativ tuschelnd über den nicht kiffenden Deppen in ihrer Runde lustig machten. Und einer, der noch nie oder erst ein–, zweimal gekifft hat und, um kein Spielverderber zu sein, diesmal doch einiges davon in seine Lunge saugt, wird kurz darauf vom THC paralysiert – zur Gaudi der Gewohnheitshascher. So oder so wäre ich ins Abseits geraten. Ich wählte also, schon wieder falsch beraten, die Märtyrer-Pose, und die dazu passende Leidensmiene fiel mir nicht schwer. Nach einiger Zeit, leider viel zu spät, erreichte mich die Stimme der Vernunft, blies lauter vernünftige Sachen in mein Ohr, überzeugte und ermahnte mich und war so frei, mich als Arschloch zu bezeichnen. Mir blieb nichts anderes übrig, als mich dieser Meinung anzuschließen. War ja nicht die Meinung irgendeines Schwanzlutschers, sondern meine Meinung.
    Später, allein mit Doris und Elvis in unserem Zimmer, ließ ich mich, unbeherrscht wie ich war, zu einer sie nervenden Eifersuchtsszene hinreißen mit sarkastischen Anspielungen aufs Kamasutra, auf den stattlichen, jedoch zur Verfettung neigenden Eddy und so weiter. Doris schwieg dazu, allerdings sehr beredt, mit entsprechender Grimasse, mit dem Zeigefinger an ihre Stirn tippend, und legte sich schlafen. Dabei hätte ich liebend gern mit ihr über den Abend geredet. Ich hatte es vergeigt.
    Am nächsten Morgen, gleich nach dem Frühstück, wurde eine äußerst wichtige Angelegenheit rasch und entscheidend geklärt, auf brutale Weise, das schon, mit Wahnsinns-Action, emotional enorm aufwühlend, unter Geschrei, zudem, oh ja, mit Blut

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