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Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Titel: Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dittrich Verlag GmbH
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schwerzufallen, als wäre er auf einem Planeten mit weitaus geringerer Schwerkraft aufgewachsen. Ich half ihm wortlos, setzte Kaffeewasser auf, spülte Tassen und Löffel, suchte die Zuckerschale und fand sie im Kühlschrank, dessen Inneres mich an einen Alptraum erinnerte, in dem die Schimmelpilze die Welt erobert hatten. Unsicher und zögernd hatte sich Doris auf einem Stuhl niedergelassen, sich eine Zigarette angesteckt, und ich sah ihr an, dass sie sich unbehaglich fühlte. Fred grummelte, unsere Blicke meidend, vor sich hin: »Die Dame ist sich wohl zu fein zum Mitarbeiten, möchte gern bedient werden?«
    »Lass den Scheiß«, knurrte ich, wohl wissend, dass ich mich auf einem verdammt schmalen Grat bewegte, denn ich brauchte Doris ebenso wie Fred. »Sie weiß doch gar nicht, wie das hier abläuft. Soll sie uns im Weg stehen? Außerdem hast du sie verunsichert.«
    Endlich stand der Kaffee auf dem Tisch. Wir tranken ihn aus Porzellantassen, die, wie Fred, mittlerweile ein wenig umgänglicher, Doris zuraunte, früher nur sonntags benutzt werden durften. »Jetzt wichse ich manchmal in sie hinein«, sagte er schelmisch, auf ein pikiertes Gesicht hoffend, zu Doris, die spöttisch bewundernd den Daumen hob.
    Fever
, natürlich die Elvis-Version, wehte in die Küche, draußen war heller Tag, Flecken von Himmelsblau zwischen zerreißenden Wolken. Ich öffnete das Fenster, Frischluft strich ihre Alles-wird-gut-Botschaft sanft um unsere Köpfe, von irgendwoher flog der Ton eines Martinshorns mahnend, drohend bis zu uns, die wir uns hölzern einander anzunähern versuchten. Vorwürfe wurden abgefeuert, von Fred auf mich, na klar, denen Erklärungsversuche folgten, von mir genauso wie von Fred, der ja auch ’ne Menge zu erklären hatte, was selbst Doris, die sich da eigentlich hatte raushalten wollen, mit einem vielsagenden Blick auf den Saustall erwähnte.
    Dann folgten die Freundschaftsbeteuerungen, die nach meiner Ansicht zum Teil ganz schön schwülstig, wie in den 50er-Jahre-Western, abliefen – der Prozess der Entspannung, auch der Gesichtszüge, mit ersten Versuchen zu lächeln und mit ähnlichen freundlich gemeinten Signalen, war in Gang gekommen. Endlich riskierte der Hausherr einen Blick in Doris’ Augen und sagte zu ihr, nun doch wieder fies: »Ich hätte nicht gedacht, dass Hans auf so viel Busen steht. Da wird ja jede Molkerei neidisch.«
    Mit so was konnte Doris umgehen. Sie lächelte kühl, als sie antwortete: »Ich bin so wenig eine Milchkuh wie du Elvis Presley bist.«
    Fred beugte sich ein wenig vor, sah ihr dabei, ein fieses Grinsen aufsetzend, in die Augen: »Ich will dir ein Geheimnis anvertrauen: Meine Mutter hat mich nie gestillt. Ich weiß gar nicht, wie sich eine Frauenbrust anfühlt. Wahrscheinlich eklig. Wie Hirnmasse. Oder wie Brei. Bis zu meinem sechsten Lebensjahr bin ich mit widerwärtigem Brei gefüttert worden. Ich hasse Brei.«
    Doris und ich quälten uns ein müdes Grinsen ab. »Wir müssen jetzt schnellstens aktiv werden«, drängte ich, obwohl ich vorgehabt hatte, über den Saustall und Freds Verkommenheit zu meckern. »Draußen steht ein knallroter gestohlener Mercedes, in dem zehn Maschinenpistolen liegen.«
    Spöttisch hob Fred die Augenbrauen. »Ach was? Eine Leiche und zwei Kilo Heroin liegen sicher auch noch in dem Schlitten. Vermutlich ein 450er, den ihr einem Gangster abgenommen habt, der jetzt hinter euch her ist.«
    Doris wehrte sich nur halbherzig gegen das in ihr aufsteigende Lachen. Besonders komisch fand sie die Situation wohl nicht, obwohl es komisch hätte sein können, wenn sie nur Zaungast gewesen wäre. Sie beugte sich ihm entgegen, zeigte ihm, dass sie auch fies grinsen konnte, und sagte mit der ihr eigentümlichen Ruhe, die sie oft in Momenten der Anspannung hervorzauberte: »Das ist kein beschissener Witz, mein Lieber. Find ich zwar komisch, dass du mit dem 450er richtig getippt hast, und leider ist auch das mit dem Gangster zutreffend. Leichen und Heroin können wir nicht bieten, aber zehn Maschinenpistolen sind ja kein Pappenstiel. Hans hat übrigens vergessen zu sagen, dass genug Munition für einen kleinen Krieg dabei ist. Was sollte man auch mit einer Uzi ohne Patronen anfangen, nicht wahr?«
    »Uzi?« Nun schien Fred doch irritiert zu sein, irritiert und elektrisiert. »Jetzt mal langsam …«
    »Nein!«, schrie ich hocherregt. »Auf keinen Fall langsam!«
    Fred Fink, dem in den vergangenen Wochen offenbar jegliche Eitelkeit abhanden gekommen war, trug noch

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