Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman
funkelte sein Gesicht wie eine Neon-Reklame in Las Vegas. »Goddam, Buddy, geil ausgedacht, da mach ich mit. Ich biete mich auch an. Jetzt glotzt
du
entgeistert, hehe, jawohl, ich lass mich ficken. In meinem Elvis-Zimmer. Ich kauf mir solche Klamotten wie sie der King in Las Vegas getragen hat, du weißt, was ich meine?, der schon etwas füllige Elvis. Bin ja auch ein wenig korpulent. Es gibt einen Markt für dickliche, nicht mehr ganz junge Elvis-Imitatoren, die sich ficken lassen. Da paart sich Fleischeslust mit Elvis-Verehrung. Genial, Alter, oh Mann, ey!« Er war völlig aufgedreht. In seiner Begeisterung schlug er vor, im Frankfurter Bahnhofsviertel Handzettel zu verteilen, Taxifahrern, die Kunden anschleppen würden, Provisionen zu versprechen, in eins der Fenster zur Straße hin eine rote Lampe zu stellen – und einen Slogan hatte er auch schon parat:
Rammeln mit Experten
.
Sanft, aber bestimmt wies ich ihn darauf hin, dass mit einer Domina nicht gerammelt wird. Ansonsten verspürte ich keine Lust, ihn zu zügeln. »Kennst du Leute, die zehn Uzis kaufen würden?«
»Neun. Eine behalten wir. Man kann nie wissen.« In Fred war wieder der Gangster erwacht. Der wahrgewordene Traum. Spannung, Halbwelt, Laster, verbotene Geschäfte, Feuerwaffen, alles untermalt von geiler Musik. »Und was ist deine Rolle in dem Spiel?«
Ich setzte eine hoheitsvolle Miene auf. »Ich bin der Koch, der Kellner, der Kassierer, der Beschützer.«
Das gefiel ihm. Er klatschte in die Hände und brüllte – und versprühte dabei Speichel – und vibrierte. »Du sitzt am Eingang hinter einem Tisch, nimmst das Geld in Empfang, und in der Tischschublade liegt die Uzi. Die Friedberger Halb- und Unterwelt wird vor uns den Hut ziehen – weil wir erfolgreich sind und weil uns eine Aura des Mysteriösen umgibt.«
Mein skeptischer Blick holte ihn in wenig runter, wenn auch nicht ganz auf den Boden. Er sagte, um mir einen Gefallen zu tun, natürlich, und deshalb erkennbar unehrlich: »Na ja, ich meine, was geht uns die Friedberger Unterwelt an, nicht wahr, obwohl ich da ja viele kenne – übrigens auch den Waffenhändler, wie du weißt.«
Aber ich meinte etwas anderes: »Dir ist bekannt, dass unser Geschäft illegal wäre? Eine Wohnung darf nun mal nicht als Bordell – wie heißt das noch? – zweckentfremdet werden. Also können wir unser Gewerbe nicht anmelden, müssen diskret sein und unsere Kunden durch Flüsterpropaganda gewinnen. Es kann dauern, bis wir richtig im Geschäft sind. Handzettel und so was sind, wie ich das sehe, keine gute Idee.«
Gegen Mittag traf Doris ein, müde und nervös. Mit leichtem Unbehagen registrierte sie, wie einträchtig ich mit Fred am Küchentisch saß, wie entspannt und vertraulich unser Umgangston war, doch es erleichterte sie, dass der verwahrloste Schwule freundliche Blicke und Worte für sie übrig hatte. Sie rümpfte, erneut vom Gestank angefallen, die Nase; ihr Blick schweifte unruhig über Dreck, Müll und Unordnung, und vielleicht fragte sie sich, ob ich mich mittlerweile in dem Saustall wohlfühlte. In ein paar Tagen, dachte ich, wird es hier wieder wohnlich sein.
»Ich hab den Wagen am Mainufer abgestellt.« Sie nahm auf einem Stuhl Platz, nahm, mit einem kurzen Nicken des Danks, von Fred die schon angezündete Zigarette entgegen. »Fast schon in Höchst. Industriegebiet. Hab alles abgewischt, und wenn ich sage
alles
, dann meine ich wirklich
alles
. Wir hatten den Wagen ja ziemlich gründlich durchsucht und vermutlich einige Hundert Fingerabdrücke hinterlassen. Dann bin ich ein ganzes Stück gelaufen, hab ein Taxi zum Hauptbahnhof genommen – und dabei ist mir was Schreckliches passiert.«
»Was heißt das, Herrgott?« Vier aufgerissene Augen starrten sie an.
Sie schien die Spannung zu genießen.
»Ich hab im Taxi laut furzen müssen. Aber der Fahrer hat locker reagiert und gesagt, ich wäre nicht der erste Fahrgast, der heute einen solchen Schuss abgefeuert hätte, und seiner Meinung nach läge es an der angespannten innenpolitischen Lage, die bei vielen Menschen Magen- und Darmprobleme verursache. Er hat dann diskret ein Fenster geöffnet.«
Befreites Gelächter.
»Möchtest du frischen Kaffee und Spiegeleier auf Toast, mein Täubchen?«, flötete Fred, der offenbar von der Milchkuh entzückt war und sie nun mit anderen Augen sah.
Doris nahm das Angebot dankbar an. Doch nachdem sie gefrühstückt und Reste von Eigelb aus den Mundwinkeln gewischt hatte, mischte sich Strenge in ihren
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