Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman
immer den Trainingsanzug, als er seinen Buick aus der Garage fuhr. Ich ließ den 450er in der Garage verschwinden, Fred setzte den Ami-Schlitten rückwärts vors Heck des Mercedes, im Kofferraum wurde die heiße Ware verstaut.
Der gute Fred hatte Mund und Augen aufgerissen. Ein geklauter, mit Waffen beladener Mercedes, der einem Gangster gehörte. War das nicht ein Abenteuer nach seinem Geschmack? Vielleicht ein bisschen zu viel auf einmal, vielleicht ein Schritt zu weit in den Sumpf des Verbrechens, aber unglaublich spannend. Jedenfalls verhielt er sich ungewohnt einsilbig – wohl weil ihm spontan ein Dutzend dazu passender Sequenzen aus amerikanischen und französischen Gansterfilmen einfielen.
»Also«, sagte Doris, »ich fahr jetzt nach Frankfurt, stell den Mercedes am Westbahnhof ab, leere den Aschenbecher, wische das Wageninnere gründlich aus und nehme dann den nächsten Zug nach Friedberg.« Und zu Fred gewandt: »Ein schönes Auto hast du da.«
Fred verzog nur angeödet das Gesicht. Er war momentan nicht scharf auf Komplimente.
Kurz darauf, am Küchentisch, die Aussprache. Wie es sich unter Freunden gehörte. Erst mal Vorwürfe, logisch, kübelweise! Ich verteidigte mich ganz ordentlich und konnte schon deshalb besser argumentieren, weil ich keinen Kater hatte. Aber es gab dann doch ein paar hohe Erregungswellen, zum Beispiel weil ich »das Flittchen« ihm vorgezogen hätte.
Schließlich die Aussöhnung, erleichtertes Lachen, gerührtes Schluchzen, Umarmung und so weiter, das ganze Programm. Und schon loderte die Begeisterung in Fred, seine zuvor noch trüben Augen flackerten, auf dem aufgedunsenen, unrasierten Gesicht erschien endlich wieder der Ausdruck jugendlicher Abenteuerlust. Keck stieß er den Kopf vor, mit breitem Grinsen, erwartungsvoll. Da war er wieder, der Rock’n’Roll-Outlaw. Und wie ein Wasserfall quasseln konnte er ebenfalls wieder. Ich nahm’s in Kauf. »Das ist der Hammer, Buddy, zehn gottverdammte Maschinenpistolen. An welchem irren Ding wollt ihr mich beteiligen? Komm, spuck’s aus! Ich bin zu allem bereit. Weißt du, was hier in den letzten Tagen los war? Scheiße. Nur verdammte Scheiße. Ich war jede Nacht besoffen. Zweimal hatte ich mir’n Stricher in die Bude geholt. Der eine wollte mich ficken, dachte, ich sei eine Tunte, der Esel. Der andere hat mich beklaut. An das Geld meiner Mutter komm ich noch immer nicht ran, muss mir wohl einen Anwalt nehmen. Auf Arbeit hab ich keinen Bock. Ich weiß ja auch gar nicht, wie das geht. Hab schon mit dem Gedanken gespielt, den Buick zu verkaufen. Dass dein Chef in Bad Nauheim seine Frau erschossen hat, ist natürlich ’ne knallharte Nummer, Mann oh Mann, seit deiner Entlassung aus dem Knast hast du ja so viel erlebt, das würde manch einem fürs ganze Leben reichen. Ich hab ja auch’ne Menge erlebt seit dem Tag, an dem wir uns kennenlernten. Mit dir nur Positives – und ohne dich nur Scheiße. Und du musstest dir die Sauerei ansehen, das ganze Blut, das zerschossene Gesicht? Ob du’s glaubst oder nicht, ich hätt meiner Mutter am liebsten auch ins Gesicht geschossen. Hört sich nach Verrohung an, weiß ich, aber so empfand ich nun mal. Mensch, Hansi, old Boy, ich bin verdammt froh, dass du wieder da bist. Obwohl die Milchkuh ein wenig stört.«
Ich verzog das Gesicht. »Na, na, lass das mal mit der Milchkuh. Sie heißt Doris und ist schwer in Ordnung. Wirst schon sehen. Voll der Rock’n’Roll-Typ. Wir dachten, die Waffen zu verkaufen und einen Teil der Kohle zu investieren.«
»In den Coup? Dafür müssen wir doch mindestens eine Uzi für uns behalten. Hast du schon mal mit ‘ner MPi geballert?«
Ich zögerte kurz, drückte die Zigarette aus, nahm noch einen Schluck Kaffee, dann rückte ich mit dem Plan heraus: »Kein Coup, Alter, ganz seriös. Wir haben vor, ein Geschäft aufzumachen – und zwar hier in deiner Wohnung. Ein Domina-Studio. Glotz nicht so entgeistert. Ich dachte, wir richten das ehemalige Büro deiner Mutter entsprechend ein. Doris kennt sich aus. Sie war mal bei ’ner Domina in der Lehre – kein Scheiß. Sie weiß, wie man die Freier behandelt. Von 50 Mark aufwärts, Spezialbehandlung 100 Mark. Wenn pro Tag vier bis fünf Kunden kommen, sind wir fein raus.«
»Hä?« Der Inhalt meiner Worte schien zäh wie Sirup in Freds Bewusstsein zu tropfen. »Ein Bordell? Das wäre ja Wasser auf die Mühle der Schnepfe in Bad Homburg. Die Sado-Maso-Variante?« Plötzlich, als hätte der Funke gezündet, strahlte und
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