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Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Titel: Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dittrich Verlag GmbH
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ein, und ich fand diesen Einwurf verdammt plausibel, äußerte mich allerdings nicht dazu, da ich nicht noch tiefer in Doris’ Achtung sinken wollte. Ob ich tatsächlich von ihr überzeugt worden war oder mir und ihr einfach nur zeigen wollte, dass zu meinen Charaktereigenschaften auch eine Portion Mut zählte, konnte ich nicht eruieren, war mir auch wurscht; ich richtete mich jedenfalls auf, hocherhobenen Hauptes. »Doris hat Recht. Wir bleiben hier!«
    Uns alle durchlief ein Schauer. Regen prasselte gegen die Fensterscheiben, schlug die letzten Blätter von den Bäumen und trommelte rhythmisch ein trostloses Lied.
    Während die anderen schliefen, hielt ich, mit der Uzi auf dem Schoß, Wache. Mir war das Absurde an meiner Situation wohl bewusst. Ein mehrfach vorbestrafter Verbrecher, der in einem gutbürgerlichen Mietshaus mit einer Maschinenpistole auf Menschen schießt, dachte ich, wo gehört der normalerweise hin? Ins Gefängnis. Selbst wenn er statt in einem gutbürgerlichen Mietshaus im Wald oder auf der Wiese auf Menschen schießt, wirkt sich das nicht unbedingt strafmindernd aus.
    Aber was noch schlimmer war: Vermutlich würde ich gar nicht wagen zu schießen. Ich hatte ja bei dem Banküberfall auch nicht vorgehabt, tatsächlich zu schießen. Zur Belohnung für meine Skrupel würde ich dann auf der Streckbank landen. Fred würden sie ans Andreaskreuz ketten und auspeitschen, Doris würde auf dem Gynäkologenstuhl vergewaltigt und so weiter …
    Als der Tag anbrach, hatte ich längst bereut, dem Tapferkeits-Appell meiner Freundin so männlich zugestimmt zu haben.
    Der Vormittag verlief so ruhig wie alle Vormittage der letzten Wochen, obwohl die Luft in der Wohnung natürlich vor Spannung knisterte, und ich fühlte mich aufgrund der Übermüdung, der Folgen des nächtlichen Alkoholkonsums und des permanent hohen Erregungslevels wie gerädert.
    Immer wieder Blicke aus den Fenstern – ein meiner Ansicht nach überflüssiges, nur der Nervosität geschuldetes Unterfangen, da die Drecksäcke ihren Wagen wohl kaum in unserem Blickfeld parken würden.
    Da unten schoben Straßenkehrer das nasse Laub zu Haufen zusammen und schaufelten es dann auf die Ladefläche eines Unimog.
    Fred starrte nach draußen. »Die Zugvögel sind alle weg.«
    »Was du nicht sagst.« Ich wollte nicht grob sein, doch im Moment gingen mir solche Äußerungen voll auf den Sack. »Wir haben in einigen Tagen November, und ein Zugvogel, der jetzt noch hier rumhängt, ist entweder ein Penner oder geistig verwirrt.«
    Doris fauchte mich an: »Mann, du nervst mit deiner Scheißlaune!«
    Wie eine Alarmanlage schrillte das Telefon. Wir erstarrten, unsere Blicke trafen sich und verkündeten Furcht. Doch bevor sich die Panik auf uns stürzen konnte, nahm Fred den Hörer ab. Ich beobachtete ihn – und sah, wie sich ein Leuchten auf seinem Gesicht ausbreitete, und fragte mich erstaunt, wer in dieser Lage Freds Stimmung so gewaltig aufhellen könnte. Die Person am anderen Ende schien sehr gesprächig zu sein, Fred gab nur hin und wieder, offenbar hocherfreut, ein paar Worte von sich, sagte schließlich: »Dann bis heute abend um acht. Ja, danke, ich mich auch.«
    Dann legte er auf, abgeklärt grinsend, erst mal schweigend, unsere fragenden, bohrenden Blicke sichtlich genießend, berauscht von seiner Wichtigkeit oder so ähnlich. Ich knurrte ihn ungnädig an: »Herrgott noch mal, mach schon das Maul auf, Mann! Jetzt wirst du dich ja wohl an unseren blöden Fressen genug geweidet haben.«
    »Ja, also …« Er zündete sich lässig eine Zigarette an, Doris und ich zündeten uns nervös eine Zigarette an. »Das war Herr Rahman, der Sekretär des
Scheichs
. Sein Herr sei extra meinetwegen wieder in Bad Nauheim, er wolle mich heute noch besuchen. Seit über einer Woche habe sich sein Herr jeglichen Samenerguss untersagt und alles für das Treffen mit mir aufgehoben. Herr Rahman sagt, sein Gebieter habe entschieden, dass wir drei ihn Abdullah nennen dürfen. Das sei eine große Ehre und ein Zeichen äußerster Zuneigung.«
    Pünktlich wie ein preußischer Beamter traf Abdullah, von fünf Bodyguards und Herrn Rahman begleitet, in der ihm schon sehr vertrauten Wohnung ein. Große Wiedersehensfreude, alle Männer umarmten sich. Doris hatte sich damit abgefunden, von den sittenstrengen Wüstensöhnen nicht umarmt zu werden, die es dennoch gern getan hätten, wenn der noch sittenstrengere Herr Rahman es ihnen nicht verboten hätte, aber sie wurde mit Blicken umarmt

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