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Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Titel: Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dittrich Verlag GmbH
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Araber ausgiebig, und Herr Rahman sagte mit spitzbübischem Lächeln: »That was a joke.«
    Sehr komisch. Wir Deutschen, die im Ausland bekanntermaßen nicht unbedingt mit Humor in Verbindung gebracht werden, machten unserem Ruf auch in diesem Fall alle Ehre, da wir durch die Bank momentan nicht den geringsten Anflug von Heiterkeit verspürten.
    Wie zu erwarten war, rumorte es nun im Treppenhaus. Füße trappelten auf den Stufen, Stimmengewirr näherte sich und wurde lauter. Die Nachbarn hatten sich aus ihren Wohnungen getraut, und gleich würden ihre Gesichter vor der offenen Tür erscheinen, ihre Blicke auf die Toten fallen.
    Jetzt kam der Geschäftsmann, vom Sklaven zum Rechtsanwalt, als der er sich zu erkennen gab, gewandelt, sehr kühl, sehr überlegt und zielgerichtet in Fahrt. Er hatte – oh Wunder – innerhalb eines Augenblicks einen Plan entworfen, den er uns knapp und klar, ohne auch nur ein einziges überflüssiges Wort einzuflechten, erläuterte: Er sei in die Wohnung bestellt worden, um mit Doris über die offizielle Anmeldung des Domina-Studios als Gewerberaum zu reden, und nun, nach dem Überfall der Verbrecher, die offenbar Schutzgeld hatten einfordern … oder besser: den Fürstensohn hatten entführen wollen, vertrete er die hier Wohnenden als Anwalt.
    Das klang plausibel.
    Herr Rahman bat seinen Herrn, sich anzukleiden, denn obwohl er mit der geballten Unterstützung der Botschaft des Emirats rechnen könne, sei es nicht ratsam, halbnackt der Polizei gegenüberzutreten. Ich nickte zustimmend, wurde aber nicht beachtet, und es war mir auch scheißegal.
    Kaum war Abdullah im Elvis-Zimmer verschwunden, tauchte die Vorhut der Nachbarn auf, die Mutigsten also. Sie warfen Blicke in den Flur und zwangsläufig auf die Leichen, prallten verständlicherweise erst mal zurück, stießen die in solchen Fällen üblichen Entsetzens- und Abscheu-Laute aus, und kaum hatten sie kapiert, dass keiner der Anwesenden die Absicht hegte, auch sie zu erschießen, fingen sie an zu zetern – aus Respekt vor den Orientalen zwar in erträglicher Lautstärke, mit verhaltener Gestik und ohne den Einsatz von Kraftausdrücken, aber jetzt sprudelten die wochenlang zurückgehaltenen, durchweg negativen Ansichten über das Treiben in unserer Wohnung ungehemmt, teils roh und ungeschliffen, teils rhetorisch raffiniert, als ginge es um einen Beschimpfungs-Wettbewerb, aus ihren Mäulern. Sie hätten die ganze Zeit mit dem Schlimmsten gerechnet, behaupteten sie, aber dies habe ja ihre schrecklichsten Vorstellungen weit, weit übertroffen, man hätte diese Lasterhöhle gleich zu Anfang mit eisernem Besen auskehren müssen, nun sei es zu spät, und ab morgen werde dieses Haus in der ganzen Wetterau als das
Verbrecherhaus in der Friedberger Ludwigstraße
verschrieen sein. Deutschland sei vermutlich sowieso dem Untergang geweiht, und Schuld daran seien die Umstürzler von 1968, jawohl, und der Sittenverfall werde zudem noch beschleunigt durch die sprunghaft ansteigende Zahl der Ausländer, ja man habe allmählich den Eindruck, dass Deutschland, also das deutsche Volk, der deutsche Geist, dem Untergang geweiht sei. Weitere Köpfe reckten sich in den Flur, und auf den Gesichtern breitete sich sofort ein Ausdruck – ungelogen! – wohligen Gruselns aus.
    Blaulichtgeflacker und Sirenen aller Art. Die Ankunft der Polizei nahm ich mit Erleichterung zur Kenntnis, denn dadurch wurde das Stimmengewirr zwar nicht abgeschaltet, aber umgeleitet, die hasserfüllten Gesichter wandten sich von uns ab, den Bullen zu, die, wegen RAF, militanten Feministinnen, Atomkraft-Gegnern und Heroin-Schwemme und immer mehr Ausländern und all dem anderen Scheiß, bis an die Zähne bewaffnet die Treppe hochstürmten – und dann erst mal blass wurden, unangenehm berührt schluckten und hüstelten. So was in Friedberg! Drei Leichen, ein dicklicher Elvis-Imitator, dessen Hosenboden, warum auch immer, aufknöpfbar war, eine Frau in SS-Uniform, ein orientalischer Fürst, womöglich mit Diplomaten-Status, eine Folterkammer, eine Wasserpfeife, massenhaft schwerbewaffnete Araber mit feurigen Augen. Komplizierter Fall. Der leitende Kripo-Beamte nickte einsichtig, als ihn der Anwalt, Herr Tiefenthal, diskret auf eventuelle außenpolitische Verwicklungen aufmerksam machte, und dankte ihm ebenso diskret für den Hinweis. Aber Frau Hirsekorn müsse wegen des Tragens einer SS-Uniform angezeigt werden. Das sei bekanntlich verboten.
    Der Anwalt konterte sofort und eiskalt, seine

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