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Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Titel: Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dittrich Verlag GmbH
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Enthusiasmus schien Fred zu verzaubern. Er lächelte versonnen. Selbst Doris zeigte sich interessiert. Zwar fand sie die Idee »ziemlich plump«, schien sich aber grundsätzlich mit dem Gedanken angefreundet zu haben. »Beim Anblick dieses Drecksacks stellen sich meine Nackenhaare auf«, murmelte sie, verschwörerisch den Kopf vorbeugend. Ein Zeichen ihrer Zustimmung? Fred und ich sahen es so, unsere Blicke trafen sich für eine Sekunde und sagten ›alles klar‹.
    »Ich hab schon lange keinen Laster mehr gefahren«, fieberte ich vor mich hin. »Es muss ein richtig fetter Kasten sein, damit ich nichts abkriege.«
    Die Blumenfrau watschelte schnaufend heran, ließ sich ächzend an unserem Tisch nieder und zog schniefend den Rotz hoch. Heute schien ihr Buckel ausgeprägter als sonst zu sein. Faltiges, von Entbehrung und Ausweglosigkeit erzählendes Gesicht, liebe Augen, die nicht viel gelesen, aber die dunklen Seiten des Lebens und der Menschen gesehen hatten. Käthe spürte instinktiv, wer in ihrem schlichten Wertesystem zu den Guten und wer zu den Bösen zählte. Wir drei gehörten, schon weil Fred ihr immer den Rest der Blumen abkaufte und Doris ihr häufig ein Bier spendierte, zu den Guten. Natürlich kauften ihr auch die Bösen öfter mal Rosen ab oder ließen ihr ein Bier hinstellen, doch stets mit einer Geste der Herablassung, immer lautstark verkündet, mit einem Scherz auf ihre Kosten garniert. Käthe hatte früh gelernt sich dümmer zu stellen, als sie wirklich war, hatte es irgendwann hingenommen, dass Narren ihren Buckel streichelten, weil das Glück bringen solle; sie lebte mit ihren drei Katzen in einem winzigen Verschlag, ihre Träume waren schon immer bescheiden gewesen. Aber sie besaß ein überaus leistungsfähiges Gehör, fing selbst Gemurmeltes auf, merkte sich wichtige Gesprächsfetzen und reimte sich so mancherlei zusammen.
    »Uh, das war ein Scheißabend«, stöhnte sie. Ich winkte dem Aushilfskellner Schorschi zu, der wie eine Flipperkugel zwischen den Tischreihen hindurch und an den herumstehenden Gästen vorbei an meine Seite schnellte, und bestellte bei ihm ein Bier und Würstchen mit Kartoffelsalat für Käthe, die mir dafür ihre rissigen Lippen auf die Wange drückte. »Passt auf«, raunte sie, nachdem Fred ihr den Rest der zügig welkenden Rosen abgekauft und an Schorschi weitergereicht hatte, der sie vermutlich im Abfalleimer beerdigen würde. »Passt gut auf, Kinder, der Horsti …«, ein Schauer durchrieselte sie, »… hat Kontakte nach München geknüpft. Der Rudi war wohl nur ein kleines Rad in einem Getriebe, das von einem ganz großen Boss beherrscht wird. Ihr wisst, was ich damit sagen will?« Ihre Knopfaugen huschten hin und her und forderten ein Zeichen des Verstehens, das auch umgehend folgte. Sie ließ ihren Blick über unsere vom Schock gezeichneten Gesichter wandern und fuhr fort: »Es darf nicht sein, dass Friedberg zum Tummelplatz für Schwerverbrecher wird.«
    Das Bier, die Würstchen, der Kartoffelsalat. Sie schwieg, bis Schorschi wie immer flott, fast hektisch zurück zur Theke flitzte. Jetzt war ihr Raunen noch leiser und zudem sehr undeutlich, verwaschen: »Min Hossi mu wa schen.«
    »Wie bitte?« Aus drei Mündern unisono.
    »Mit – dem – Hors – ti – muss – was – ge – sche – hen.«
    Das war jetzt deutlich – und natürlich Wasser auf unsere Mühlen.
    Am nächsten Abend, Fred und ich im Buick, wir fuhren langsam, betont entspannt, hatten eine Doris-Kassette eingelegt und uns auf eine längere Zeit des Suchens eingestellt. Gerade lief
Life’s A Gas
von T. Rex, und wir sahen uns schmunzelnd an und riefen gleichzeitig: »Yeah, life’s a gas!« und freuten uns über die Gleichzeitigkeit.
    Wir mussten nicht lange suchen. Zur Zeit wurde das Gewerbegebiet am Südrand der Stadt erweitert. Mehrere Großbaustellen boten das übliche Bild: Plätze mit ordentlich gestapeltem und geschichtetem Baumaterial, halbfertige Gebäude, von Raupen und Reifen zerwühlte Erde, Bauwagen, transportable Toiletten, Kräne, Plakatwände, Bagger, Planierraupen, Lastwagen aller Art – und unter ihnen, gewaltig und scheinbar unzerstörbar, ein Faun-Muldenkipper. Die breite Vorderseite war mit einer eisernen Stoßstange bewehrt. Auch sonst viel Eisen, wenig Blech. In das Führerhaus gelangte man über eine eiserne Leiter. »Satte 400 PS«, krächzte ich heiser, von Ehrfurcht ergriffen. Der Koloss ließ sich mühelos knacken. Schon sprang der Motor an, ließ das Fahrzeug

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