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Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Titel: Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dittrich Verlag GmbH
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entschied Abdullah, der offensichtlich bester Laune war. Seine Bodyguards – man sah es ihnen an – fühlten sich ohne ihre Waffen unvollständig, als habe man sie eines Körperteils beraubt, freuten sich jedoch über die versprochene Belohnung für die Präzisionsarbeit.
    Abdullah sagte schmunzelnd: »I bet, they can’t sleep without their guns.«
    Höfliches Lachen rundum.
    Er residierte in einer Villa in Bad Nauheim, schön gelegen, am Waldrand, von Singvögeln aller Art umzwitschert, mit allen Schikanen ausgestattet. Ich fragte Abdullah, was er pro Tag für die Hütte abdrücken müsse und erbleichte, als ich die Summe hörte. Aber das Vogelgezwitscher sei gratis, fügte er listig grinsend hinzu, als hätte er diese Zugabe dem Vermieter, orientalisch-gewieft, in zäher Verhandlung aus dem Kreuz geleiert. »In my country«, sagte er, »are not so many different birds in one place. We use to shoot them when we are bored or sad – and even when we are happy.«
    »Indeed? Everybody in your country kills birds just for fun?«
    Er zuckte die Achseln und grinste. »I don’t know what other people do – and I don’t care. I’m just talking about my nasty habits, and I killed almost every bird in my garden. And I tell you man, my garden is as big as the
Kurpark
of Bad Nauheim.«
    Diese Auskunft schockierte mich schon wegen der Schießerei, deren Zeuge ich ja leider gewesen war, ich sah plötzlich einen mit toten Vögeln übersäten Schlosspark vor mir, zwang mich jedoch zu einem Grinsen, das, wie ich hoffte, einigermaßen positiv aufgefasst werden konnte, zumindest mit etwas gutem Willen. Und daran mangelte es heute bei Abdullah wirklich nicht. Die Männer und Frauen des Personals stammten aus Indien und Pakistan, wurden vom Sekretär sogleich – und zu meiner Verärgerung schroff – mit Befehlen überhäuft.
    Dann wurde ein wahrhaft fürstliches Frühstück aufgetischt; meine Augen sowie die Nase und die sofort aktivierten Geschmacksnerven schickten ihre Eindrücke umgehend ins Gehirn, entfachten dort das angenehme Gefühl der Vorfreude, was die Speichelproduktion anregte – na gut, aber dadurch verdrängte ich meinen Groll gegen die unzeitgemäßen Ansichten des Gastgebers, der nie aus der Kindheitsphase herausgekommen war, oh ja, verdammt, ich war bestechlich, hätte mich zu gern im Stillen mit mir auseinandergesetzt, aber schon saß ich am Tisch, häufte Kaviar, geräucherte Forellenfilets, Lammwürstchen, Datteln, geschmorte Hammelhoden, Hühnerbrust und Rührei auf meinen Teller, trank abwechselnd Kaffee und Orangensaft und fühlte mich erstaunlich wohl. Doris sprach wenig, was unter anderem daran lag, dass ihre Anwesenheit die Araber ein wenig irritierte, obwohl man ihr gegenüber äußerste Höflichkeit walten ließ.
    Der Hausherr allerdings sprühte vor Begeisterung. Er krähte aufgekratzt, die letzte Nacht habe er sehr genossen, das sei ein herrliches Abenteuer gewesen, eine brillante Story, die in allen Zeitungen seines Landes auf der ersten Seite landen werde. Er sei nun ein Held, und sein Vater hätte allen Grund, stolz auf ihn zu sein. Sein Gesicht strahlte, er lachte laut, und wir, seine Gäste, lachten aus Höflichkeit mit, und dabei sah ich wieder die Toten vor mir und fragte mich, wieso Abdullah, der lediglich halbnackt dabeigestanden und den Schießbefehl erteilt hatte, sich als Held sah.
    Aber war mir eigentlich schnuppe. Mit dem Ergebnis konnten wir, so glaubte ich, ganz gut leben: Die Angst vor Rudi hatte sich buchstäblich in Rauch aufgelöst, auch wenn der stark nach Kordit gerochen hatte. Selbst vor den Bullen waren wir vorerst sicher, Herr Rahman hatte Fred vorhin 10 000 Mark zugesteckt, ein fettes Päckchen Banknoten, liebevoll mit Seidenpapier umhüllt und mit Seidenband und einer Schleife verschnürt.
    Auf der anderen Seite sah die Zukunft erneut düster aus, der Blick nach vorn endete wieder einmal vor einer grauen Nebelwand. Nichts Neues für mich, schon klar, meine alte, mir bestens vertraute Begleiterin, die Trübseligkeit, hatte mich wiedergefunden, obwohl ich ohne sie ganz gut klargekommen war. Wir hatten ein eigenes Geschäft gehabt, mein Gott, unsere Träume waren in Erfüllung gegangen, harte Arbeit, ja, aber gut bezahlt und zudem alles andere als eintönig – und nun vorbei. Fred würde die Wohnung verlieren, wenn auch nicht sofort. Mindestens sechs Monate Kündigungsfrist. Dann war da noch Horsti. Der Schmierlappen wusste zu viel, würde sich aber vermutlich hüten, sein

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