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Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Titel: Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dittrich Verlag GmbH
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vibrieren, zu einem Metall-Tier werden, einem emotionslosen Arbeitselefanten, und bullerte einsatzbereit vor sich hin. Weil das Führerhaus – oder besser: die Führerkanzel – nur einer Person Platz gewährte, musste ich, zu Freds Enttäuschung, die Tat allein vollbringen. »Schade, dass hier kein Kassettenrekorder ist!«, rief ich nach unten. »Und blöd, dass du Handschuhe anhaben musst!«, rief er zu mir hoch, winkte noch mal lässig und stolzierte cool zu seinem Buick. Ich ließ mein gehorsames Tier den lächerlichen Drahtzaun niederwalzen, was mir sogar ein gewisses Vergnügen bereitete, dann lenkte ich den Panzer auf den Asphalt der Straße. Es schien ihm zu gefallen. Prima Aussicht von hier oben. Die entgegenkommenden Fahrzeuge wirkten so klein und ungeschützt.
    Um ein Uhr, in Bauernheim, startete ich den Motor erneut. Wurde auch Zeit. Ich war erstens völlig durchgefroren und hatte zweitens gar nicht bedacht, wie zäh die Zeit vergeht, wenn man warten muss. Ganz gemächlich fuhr ich in Richtung Friedberg. Alle Bauernheimer schliefen – außer Horsti, der jetzt am Steuer seines Wagens sitzen musste. Die Landstraße lag einsam vor mir, Teile des Asphaltbands wurden vom Licht der Scheinwerfer aus der Dunkelheit gezerrt. Als der schwere Kipper über das Flüsschen Wetter rumpelte, näherte sich ein Fahrzeug. Fernlicht, grell, blendend, rücksichtslos. Typisch für das Arschloch, dachte ich empört, wohl wissend, dass die Empörung mir die Tat erleichtern würde, ja ich redete mir sogar ein, spätestens jetzt, wegen Fernlicht und so, zu Horstis Bestrafung berechtigt zu sein. Aber warum fuhr der Sack so verdammt langsam? Besoffen bis zur Halskrause, nahm ich an, und beschleunigte den Laster. Das Scheiß-Fernlicht behinderte meine Sicht ungemein, aber ich wollte den Unfall ja gar nicht vermeiden, es sollte ja krachen, und zwar ganz gewaltig.
    Schon war der andere neben mir, ich riss das Steuer nach links, der Kipper traf das Ziel in Höhe der Vorderräder, ich riss das Steuer wieder herum, hatte den Aufprall kaum gespürt, aber in diesem Moment gesehen, dass der gerammte Wagen kein Range Rover war. Ich stoppte, reckte den Kopf nach draußen, sah, wie das Auto in den Graben schlitterte und dort ganz langsam auf die Seite kippte – ein 59er Mercedes 180, ein Oldtimer. Das ist jedenfalls nicht Horsti, stellte ich erschüttert fest, und wenn es Horsti gewesen wäre, verdammt noch mal, wäre ihm nicht mal was passiert – das ist nur ein besoffener Bauer aus Bauernheim, aber scheiß drauf, der hat die Strafe genauso verdient, der verdammte Hooligan mit seinem Scheiß-Fernlicht. In flottem Tempo näherte sich ein weiteres Fahrzeug. Ein Nachteil des riesigen Muldenkippers: Er reagierte verdammt träge. Dennoch erwischte ich den vorbeiziehenden Wagen am Heck. Ein dumpfer Knall. Das gerammte Fahrzeug drehte sich um 360 Grad, rutschte in den Graben und kam vor dem Oldtimer zum Stehen. Ein Opel Rekord. Abermals war ich schwer erschüttert. Ein weiteres unschuldiges Opfer. Schon dachte ich daran auszusteigen und nachzusehen, doch da krochen die beiden schon aus ihren Fahrzeugen, schwangen die Fäuste und brüllten Beleidigungen in meine Richtung. Sehen konnten sie mich nicht. So schnell es ging, entfernte ich mich vom Ort des Verbrechens und Versagens.
    Kurz vor der Stadt warteten Fred und Doris im Buick auf mich. Doris rutschte in die Mitte, um mir Platz zu machen. Nachdem ich die Gummihandschuhe abgestreift und mir eine Lucky ins Gesicht gesteckt hatte, starrte ich düsteren Blicks aus dem Seitenfenster in die Dunkelheit. »Was ist los, warum bist du schon hier?«, fragte Doris vorsichtig. »Horsti ist doch noch gar nicht vorbeigekommen.«
    »Ich hab statt dessen zwei andere Autos gerammt. Hat echt Spaß gemacht.« Das sagte ich natürlich in höhnischem Ton, wobei ich noch hoffte, nicht zu explodieren. Aber schon brüllte ich los: »Verfluchte Scheiße, ich glaub es nicht, dass ich mich an so einem idiotischen Plan beteiligt habe!«
    »Da kommt Horsti!«, rief Fred aufgeregt – und schon brauste der Range Rover an uns vorbei.
    »Und wir sitzen hier im beleuchteten Buick, hinter uns parkt ein gestohlener Muldenkipper!« Ich zappelte aufgewühlt, als würde ich von Stromschlägen gepeinigt, meine Stimme überschlug sich, alles an mir, das wusste ich, war außer Kontrolle. »Am Arsch, ey! Wie blöd wollen wir uns denn noch anstellen? Nun weiß Horsti, dass wir komplette Stümper sind. Ich bin der Amokfahrer. So wird es

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