Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Jahr des Hasen

Titel: Das Jahr des Hasen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
Vom Netzwerk:
Stiefel blieb zurück, und dann versank auch der zweite. Barfuß konnte sich Vatanen mit Mühe auf eine trockene Stelle retten.
    Hinter sich hörte er lautes Muhen. Er drehte sich be­ sorgt um. Die schwere Kuh war tapfer der Spur des Mannes gefolgt, aber nun kam sie nicht mehr vorwärts. Sie war bis zum Bauch eingesunken, konnte sich nicht regen und brüllte muhend um Hilfe.
    Vatanen ließ das Kalb auf eine Bülte fallen und lief zurück, um der Kuh zu helfen. Er packte sie bei den Hörnern und versuchte sie aufs Trockene zu ziehen, aber kein Mann hat soviel Kraft, allein eine ganze Kuh an den Hörnern aus dem Moor zu ziehen.
    Rasches Handeln war nötig. Vatanen nahm die Axt aus dem Rucksack, rannte fünfzig Meter weit zu einer Stelle, wo mehrere vertrocknete kleine Bäume standen, fällte ein paar davon, hackte die spitzen Aststümpfe ab und kehrte mit den so gewonnenen Stangen zurück. Die Kuh war inzwischen noch ein wenig tiefer eingesunken.
    Vatanen schob die Stangen unter ihren Bauch. Das Tier schien zu begreifen, daß man Gutes mit ihm beabsichtigte, es sträubte sich nicht, obwohl ihm die Stangen vielleicht wehtaten. Sie konnte nun nicht weiter einsinken, doch Vatanens Versuch, die Kuh hochzuhieven, hatte wenig Erfolg. Schwarzer Schlamm bedeckte ihren Leib. Der Hase sah staunend zu.
    »Du könntest ruhig auch was tun«, knurrte Vatanen ihn an, während er sich weiter mit der Kuh abmühte. Doch der Hase machte keine Anstalten zu helfen, un­ wissend und schwach wie er war.
    Vatanen beruhigte das Kalb, löste das Seil von der Decke, knüpfte sie zusammen und band das Ende um eine Vorderklaue der Kuh. Die steckte tief im Morast, und Vatanen war bald über und über mit Schlamm bedeckt.
    Das Seil reichte gerade fünf Meter weit bis zu einem alten Baumstumpf, an dem Vatanen nun sorgfältig das andere Ende befestigte.
    »Wenn du jetzt versinkst, geht der Baumstumpf mit unter«, sagte er zur Kuh.
    Die am Baum verankerte Kuh lauschte seinen Worten geduldig und ohne zu muhen, denn sie merkte, daß der Mann ihr helfen wollte.
    Vatanen zerteilte das Seil an einer Stelle, steckte ei­ nen Knüppel dazwischen und fing an zu drehen. Bald spannte sich das Seil, der Leib der Kuh hob sich lang-sam aus dem Morast, das Tier versuchte nach Kräften mitzuhelfen. Zwischendurch ließ Vatanen den Knüppel los und schob die Kuh, wobei er sich bemühte, ihre Zitzen nicht zu verletzen. Zentimeter um Zentimeter bewegte sich die Kuh näher an den Baumstumpf heran.
    Viele Male wiederholte Vatanen die Prozedur, drehte, schob nach, beruhigte das Tier.
    Währenddessen verging die Zeit, und ehe Vatanen sich’s versah, war der Abend gekommen. Er war müde, aber er konnte die Kuh nicht über Nacht im Moor liegen lassen.
    »Kühe hüten ist ein harter Job!«
    Um Mitternacht hatte Vatanen die Kuh so weit nach vorne gebracht, daß sie von allein herauskam. Sie zog sich mit letzter Kraft aus dem Schlamm, und sowie sie festen Boden unter den Füßen hatte, legte sie sich nie­ der. Vatanen führte das auf zitternden Beinen stelzende Kalb zu seiner Mutter und schlief anschließend selbst auf der Bülte ein. Gegen Morgen wurde ihm kalt, und er schob sich dicht an den Leib der Kuh. Der war warm wie ein Kachelofen.
    Dann ging die Sonne auf und beschien die mit schwarzem Schlamm bedeckte Gruppe. Kuh, Kalb, Mann und Hase erwachten: Die Kuh kackte, das Kalb saugte, Vatanen rauchte. Dann trug er das Kalb aus dem Moor. Die Kuh folgte vorsichtiger denn je, und als sie das Moor verlassen hatte, drehte sie sich um und muhte es wütend an.
    Am Ufer des nächsten Waldsees wusch Vatanen die Kuh und das Kalb, dann spülte er seine eigenen Kleider. Stiefel besaß er nicht mehr, die waren im Moor geblie­ ben. Zum Schluß wusch er den Hasen, der ihm diese Maßnahme noch lange verübelte.
    Als Vatanen mit seinem Troß die Landstraße erreich­ te, erwartete ihn ein leerer Viehwagen und eine Gruppe übermüdeter Menschen, die den ganzen Abend und die Nacht vergeblich nach ihm gesucht hatten. Die anderen Kühe waren bereits am Abend fortgeschafft worden, und die besorgte Irja war mit ihnen gefahren. Auch Vatanen gelangte nun mit dem Viehauto nach Sonkajärvi, und bald darauf stand er in seiner rußigen und schlammigen Kleidung, barfuß und mit dem Hasen im Arm auf der Straße des Kirchdorfes.
    10. KAPITEL
    In der Kirche
    Vatanen übernachtete in einer Pension, schlief jedoch schlecht in dem guten Bett, denn er war an das Leben im Freien gewöhnt. Am Morgen kaufte er

Weitere Kostenlose Bücher