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Das Jahr des Hasen

Titel: Das Jahr des Hasen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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noch dazu hier in seinem Haus!«
    Der Mann weinte. Auch Vatanen war bewegt. Er schlug vor, ins Pfarrhaus zu gehen und nach einem Krankenwagen zu telefonieren.
    »Nein, nein! Seien Sie so lieb und befreien Sie die Kir­ che vom Rauch. Gleich kommt die Tochter des Bürger­ meisters zur Trauung. Ich muß das Paar noch trauen, wir brauchen den Fuß nur zu verbinden. Vielleicht sind Sie noch so freundlich und entfernen die Hülsen, falls welche in den Gängen liegen. Schieben Sie sie einfach zur Seite.«
    Vatanen öffnete die Kirchenfenster, der blaue Rauch schwebte nach draußen. Er fand einige Hülsen, hob sie auf und steckte sie in die Tasche. In der Sakristei ver­ band er Laamanens Fuß provisorisch mit einem Stück Altartuch, das er in Streifen riß. In Laamanens Schuhen waren Einlegesohlen, Vatanen tauschte sie aus: Die blutige Einlegesohle mit dem Kugelloch kam in den heilen Schuh, dessen Sohle in den durchschossenen, so waren beide gewissermaßen wieder dicht. Wenigstens für kurze Zeit würde die ausgetauschte Sohle verhin­ dern, daß Blut auf den Fußboden sickerte.
    Aus der Kirche ertönten bereits Stimmen, das Braut­ paar und die Verwandten waren eingetroffen. Der Pastor humpelte zur Sakristeitür. Vatanen öffnete sie und führte ihn zum Altar. Dann setzte Laamanen mit gleichmäßigen Schritten seinen Weg fort, als sei mit dem Fuß alles in Ordnung.
    Vatanen zog sich für die Dauer der Zeremonie in die hinterste Bank zurück, auch der Hase kam dorthin und sprang ihm auf den Schoß.
    Laamanen vollzog die Trauung in gewohnter Weise. Während der ganzen Zeit stand er reglos da. Im An­ schluß hielt er eine kleine Rede, seine Augen wurden dabei feucht. Einige Frauen interpretierten das auf ihre Weise und begannen zu schluchzen. Die Stimmung war überaus andächtig, geradezu herzbewegend. Die Männer husteten in die Hand, so gedämpft sie konnten.
    »Gott hat die Ehe geschaffen, und daran muß auch dieses Paar festhalten. Was nämlich Gott in seiner Barmherzigkeit gefügt hat, ist heilig und darf nicht zerstört werden. In der Ehe lauert jedoch manch böse
    Gefahr, und eine davon ist die Eifersucht. Sie geht um wie ein brüllender Löwe und zieht den Menschen in ihren Bann. Heute empfinden Sie beide tiefe Zusam­ mengehörigkeit und gegenseitige Liebe, aber es kommt auch der Tag, da Ihnen vielleicht ein anderer Mensch noch liebenswerter erscheint. Und dann sollen Sie an diese Bibelworte denken: ›Was tut’s aber? Daß nur Christus verkündigt werde auf allerlei Weise, es gesche­ he zum Vorwand oder in Wahrheit, so freue ich mich doch darin und will mich auch freuen.‹ Der Bibelspruch stammt aus dem Brief des Paulus an die Philipper, Kapitel 1, Vers 18, und diese frommen Worte gebe ich Ihnen mit auf den Weg als Halt für Ihre Ehe. Im Augen­ blick der Bedrängnis sollen Sie diese Worte vornehmen und sie lesen. Dann verfliegt der Rausch der fremden Liebe, und Ihre Seele findet Frieden. Ich wünsche Ihnen beiden eine schöne Ehe.«
    Laamanen überreichte den Brautleuten eine weiß ein­ gebundene Bibel und schüttelte ihnen die Hand. Er blieb auf seinem Platz stehen, bis die Menschen aus der Kirche geströmt waren. Als er die Tür ins Schloß fallen hörte, hob er vorsichtig den Fuß. Auf dem Boden war ein großer Blutfleck.
    Vatanen ging ins Pfarrhaus und bestellte telefonisch ein Taxi. Währenddessen lag Pastor Laamanen auf einer Kirchenbank und schluchzte leise.
    »Was soll nun aus dieser Ehe werden? Ich habe bluti­ ge Kleider getragen, bildlich gesprochen, als ich die beiden traute! Lieber Vatanen, schwören Sie im Namen des allmächtigen Gottes, daß Sie niemandem erzählen werden, was hier in der Kirche geschah.«
    Vatanen schwor, dann kam das Taxi. Bevor Laama­ nen einstieg, fiel er vor dem Altarbild auf die Knie, faltete die Hände und betete: »Vergib mir, Jesus Christus, Gottes einziger Sohn, was ich Dir angetan habe, aber im Namen des Herrn, das, was geschah, war ein Versehen!«
    Vatanen beauftragte den Taxifahrer, schnell zur Am­ bulanz des Zentralkrankenhauses von Kuopio zu fahren. Laamanen humpelte und bestieg dann das Auto, das bald auf der staubigen Straße verschwand.
    Vatanen streckte sich auf einer Kirchenbank aus, der Hase schlief bereits auf dem Fußboden. Bleierne Müdig­ keit überkam Vatanen. Die Stille, die nun wieder in der Kirche herrschte, brachte ihm bald den gewünschten Schlaf.
    11. KAPITEL
    Der Großvater
    Ende Juli suchte sich Vatanen in Kuhmo eine Gelegen­ heitsarbeit:

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