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Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Titel: Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Gerlach
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meiner Person ist unverzüglich Folge zu leisten. Dies ist meine dritte und letzte Aufforderung, das von mir umsorgte Gelände unverzüglich zu verlassen. Danach werde ich zuerst einen Warnschuss in die Luft abgeben und in der Folge gezielt auf Ihre Beine schießen.«
    »Ich zeige Ihnen meinen Ausweis.« Ich wollte in die Jackentasche greifen.
    Er schrie mich an: »Halt! Wenn sie in die Tasche greifen, muss ich nach dem Aussprechen meiner Warnung annehmen, dass Sie dort eine Waffe verbergen, und werde sofort in Anwendung der Notwehrregel schießen müssen.« Er hatte das Gewehr von der Schulter genommen und sich in den Arm gelegt, der Lauf zeigte auf mich.
    Ich hob langsam die Hände bis über den Kopf. »Na los, schießen Sie. Sie sind ein ausgemachter Dummkopf. Ich könnte der Besitzer des Geländes sein.«
    »Ich muss Ihnen erstens leider mitteilen, dass ich ein außerordentlich schlechter Schütze bin. Selbst wenn ich vorhabe, Sie nur zu verletzen, kann ich nicht ausschließen, dass der Schuss danebengeht und deshalb eines Ihrer überlebenswichtigen Organe trifft. Ich weise Sie also nachdrücklich auf das mögliche Eintreten Ihres Ablebens hin. Was, zweitens, Ihre Spekulation auf den Besitzer des Geländes anlangt, muss ich Ihnen außerdem mitteilen, dass dieser mir von der Person her bekannt ist und sich mir gegenüber in keinerlei Ausweispflicht befindet. Mit freundlichen Grüßen und so weiter.«
    Er zog den Hahn an seinem Gewehr zurück und legte auf meinen Kopf an. »Geladen und entsichert!«, brüllte er.
    »Sie können nicht auf einen wehrlosen Mann mit erhobenen Händen schießen.«
    »Hohes Gericht, ich bitte zu bedenken, dass ich mich in Verfolgung eines zum Abschuss freigegebenen und bereits verletzten Hirsches hinter einem Gebüsch befand, das mir nur eine Teilsicht ermöglichte. Im Voraus hatte ich mich vom ordnungsgemäßen Zustand des Jagdgebietes, nämlich seiner Menschenleere, überzeugt, sodass ich die erhobenen Hände, zumal sie einem Geweih ähnlich, flüchtig auch dafür halten durfte, sodass mein Reflex, einen Schuss in bezeichnete Richtung abzugeben, eine normale Handlung darstellt, zumal, wie gesagt, auf diesem Gelände mit dem Antreffen von Privatpersonen nicht zu rechnen war.«
    »Sie schossen also aus einem Reflex heraus auf einen Hirsch.«
    »Jawohl, Herr Richter.«
    »Hätten Sie sich nicht nochmals überzeugen müssen, dass keine Gefahr für ein Menschenleben bestand? Das Gelände ist immerhin nicht eingezäunt und sein Betreten durch Subjekte möglich, die sich ihres unbefugten Daseins nicht bewusst sein könnten.«
    »Aber welche Subjekte, Herr Richter, betreten einen Wald abseits der Wege? Welche Gründe haben sie, sich zu verbergen? Welcher rechtschaffene und ordnungsliebende Menschen betritt ein Gelände auf solch verbotene Weise? Und wenn ein Mensch es doch tut, muss er sich dann nicht der innewohnenden Gefahr bewusst sein und mit Tod und Schusswunden rechnen?«
    »Denken Sie an die Verirrten, Hänsel und Gretel, an die Ausgesetzten und Verführten, Rotkäppchen zum Beispiel. Angeklagter, wollen Sie damit sagen, dass diese uns lieb gewordenen Menschen einfach erschossen werden dürfen?«
    Der Mann hatte immer noch sein Gewehr erhoben, senkte den Lauf jetzt. Sein Mund stand offen. Ich ging um den Wagen herum, stieg ein und fuhr den schmalen Weg rückwärts. Der Jäger stand still, hatte das Gewehr wieder über der Schulter. Der Hund saß neben ihm auf den Hinterbeinen, hatte die Lefzen zurückgezogen, grinste mich an.
    Ich fuhr bis zum nächsten Dorf zurück. Den Laden, in dem mein Großvater eingekauft hatte, gab es nicht mehr. Es war kein Dorfbewohner zu sehen. Ich fuhr weiter, und am Ende des Dorfes entdeckte ich einen Hinweis auf eine Försterei. Ein modernes Einfamilienhaus im Landhausstil am Waldrand. Eine halbhohe Mauer fasste das Grundstück ein. Jeder Baum stand in einem Steinkreis. Jedes Beet war mit Steinen abgegrenzt. Eine Frau in einer grünen Schürze mit rotem Rand goss Blumen. Ihre Augen waren schwarz gerändert.
    »Ist der Förster da?«
    »Mein Mann.« Sie rief ihn. Er kam, blieb im Türrahmen stehen. Es war nicht der aus dem Wald. Dieser trug einen grauen Anzug, wie ein Manager, nur war der Stoff von einem breiten grünen Saum eingefasst. Sein Leben war vollkommen gerahmt.
    Ich beschrieb die Hütte meines Großvaters. Er erklärte, dass sie dem neuen Bewohner, dem Sohn des Besitzers, durch Fahrlässigkeit abgebrannt sei. Er habe daraufhin eine neue Hütte am

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