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Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Titel: Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Gerlach
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füllte ihn in zwei kleine Schnapsgläser, schob mir eines hin. Frank hatte inzwischen neben der Spüle zwischen zwei schmutzigen Tellern eine halbe Pizza gefunden und schob sie in die Mikrowelle. »Sag dieser Frau mal, sie könnte sich nützlich machen, indem sie mal wieder was zu Essen einkaufen würde.« Er nahm seine Pizza heraus und trug sie auf den Handtellern nach draußen.
    »Wie lange sind Sie schon hier?«, fragte ich.
    »Als ich kam, hatte ich eine Glatze. Einige Zeit habe ich die noch behalten, dann habe ich nur noch alles andere rasiert. Sie stand auf, zog zum Beweis die Boxershorts herunter. Die Haut um ihr Geschlecht war rot und pickelig. »Ziehe ich drei Monate Glatze ab und rechne dann mit einem Zentimeter Haarwuchs pro Monat ...«, sie zog eine Haarsträhne lang, »... dann wären das hier fünf Monate, also insgesamt ungefähr ein dreiviertel Jahr, würde ich sagen. Ist ganz nett hier. Er tut nur so. Meist ist er ganz in Ordnung. Ein alter Mann eben. Weiß noch nicht, wie lange ich bleibe.«
    Sie trank den Likör, und ich schob ihr mein Glas auch noch hin.
    »Ich muss noch mit Frank reden.«
    »Sind Sie derjenige, der neuerdings das Geld zahlt?«
    »Ja und nein.«
    Ich ging auf den Flur, öffnete die gegenüberliegende Tür. Mein Stiefvaterhalbbruder saß zurückgelehnt in einem alten Ohrensessel, die Pizza auf den Knien, eine Fernbedienung in der Hand. Auf dem Bildschirm eines großen Fernsehers lief ein Actionfilm. Der Raum war voller Klamotten, Zeitungs- und Videostapeln und leeren Bierflaschen. Auf einem Schreibtisch schichteten sich Bücher, Flaschen schoben sich bedrohlich am Rand zusammen. Eine Landkarte war über allem ausgebreitet.
    »Du musst das verstehen«, sagte er. »Es ist nicht mehr so viel Geld wie früher. William zahlte mir mehr als du jetzt. Du musst es wieder erhöhen. Verstehst du? Aber wahrscheinlich bekommt jetzt alles deine liebe Mutter, was? Sag mal, was ist eigentlich passiert? Ist der Alte pleite? Das kann doch nicht sein. Wieso kriege ich jetzt das Geld von deinem Konto? Dabei tue ich immer noch alles, was der Alte will. Ich versuche sogar, seine Ideen zu verstehen«. Er wies auf die Karte. »Aber ich begreife es nicht. Ich hab es schon damals nicht begriffen, was er sucht. Ich hab immer gedacht, er kommt mal vorbei. Und dann hätte ich ihm diese Karte da gezeigt, nur damit er sieht, ich beschäftige mich damit. Ich will ja brav sein.« Er stand auf, der Rest der Pizza fiel herab. Er hob sie auf, pustete darüber und aß sie weiter. »Mal ehrlich, du musst die monatliche Summe um etwa tausend erhöhen. Dann wäre es so wie früher, als er noch zahlte.«
    »Ich hab damit nichts zu tun. Das Konto gehört mir nicht. Es sieht nur so aus. Es ist William, der die Überweisungen veranlasst.«
    »Scheiße! Er lebt also noch. Mist!« Er warf den letzten Rest der Pizza gegen die Wand. Sie blieb einen Augenblick kleben, dann fiel sie auf einen Stapel Videos herab.
    »Ich muss diesen Typen anrufen.« Er wühlte auf dem Schreibtisch. Die Karte segelte davon. »Wo hab ich jetzt die Nummer? Verdammter Mist, ich hab dem schon eine Anzahlung gegeben. Ich dachte doch, der Alte ist tot und versucht, uns um das Erbe zu bringen.«
    »Was für einen Typen?«
    »Er sollte herausfinden, ob du alles gekriegt hast, ob dieser Schweinehund uns enterbt hat oder was.«
    Er fluchte, Flaschen fielen vom Schreibtisch. »Ich hab das hier irgendwo hingelegt.« Er schrie nach Lena, schimpfte, dass sie keine Ordnung halten könne. Lena sang draußen einen Schlager. Schließlich ließ er sich wieder in seinen Sessel fallen. Draußen war Motorengeräusch zu hören. Flaschen klapperten. Eine Männerstimme. Frank zog mit einem Fuß einen Comic heran, der auf dem Fußboden lag. Er grinste vor sich hin.
    »Hallo!« Lena streckte den Kopf durch den Türspalt. »Gordon, kann ich mal einen Hunderter leihen? Ich finde die Brieftasche nicht. Sie kriegen ihn nachher zurück.«
    Ich gab ihr einen Schein. Dann suchte ich mir einen Platz auf einem Zeitschriftenstapel.
    »Ich bin Williams Sohn, nicht wahr?«
    Er grunzte, hob beschwichtigend beide Hände. »Warte. Ganz ruhig.«
    Lena kam zurück, brachte uns zwei Bierflaschen und verschwand wieder.
    »Jetzt besäuft sie sich«, sagte Frank. Er öffnete die Flasche und trank sie zur Hälfte aus.
    »Ich bin sein Sohn, nicht wahr?«
    »Es tut mir leid. Deine Mutter hatte keine Chance, ihm zu entwischen. Er wusste, dass sie einen Doppelmord auf dem Gewissen hatte. Und er

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