Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Titel: Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Gerlach
Vom Netzwerk:
anderen Ende des Waldes errichtet. Er beschrieb mir den Weg und warnte mich vor dem Dorftrottel, der dort mit seinem Hund und einem unbrauchbaren Gewehr durch den Wald streife und Spaziergänger erschrecke. Ich dankte, dachte daran, ihm zu erzählen, wer ich sei, erwähnte dann aber nur, dass ich einen Teil meiner Kindheit hier verbracht habe.
    »Ich hoffe«, sagte ich, »meinen Stiefvater als Bewohner der Hütte anzutreffen.«
    Der Förster schnaufte durch die Nase. »Eine Frau wohnt da auch«, sagte er. »Nicht gerade die Sorte Menschen, die wir hier mögen.«

9
    Eine in die Erde eingetretene Spur aus zersplitterten Flaschen, Plastikteilen und Müll führte mich durch den Wald. Am Ende des Weges versuchte ein rostiges Auto, in den Erdboden zu versinken. Dahinter öffnete sich der Wald zu einem abschüssigen, zerfurchten Hang. Auf einem Sandplatz parkte ein neuer Kleinwagen. Zwischen den Baggerspuren stand ein Holzhaus, das aber nicht zu Ende gebaut worden war. An der Stirnseite ragten ungleiche Balken heraus. Gelbe Isoliermasse quoll aus einem Loch. Spanplatten lehnten verbogen an der Seite.
    Das Haus war größer als Großvaters alte Hütte, besaß ein Dachgeschoss und sollte den Eindruck vermitteln, wie eine Blockhütte aus Holzstämmen erbaut zu sein. Die Lücken aber zeigten, dass die Balken nur dünne Dekoration waren. An einigen Stellen hatte das Holz gearbeitet, war gerissen, aufgesprungen. Vor dem Hauseingang schimmelten zwei morsche Bänke und ein Tisch. Daneben lagen Müllsäcke, leere Flaschen. Ein Stück weiter ein zusammengefallener Stapel Holz, ein rostiges Beil steckte in einem Klotz. Aus einer auseinandergenommenen Motorsäge schlängelte sich ein kleiner öliger Fluss. Lupinen überwucherten Erdhaufen.
    »Hallo!«
    Ich ging näher, hämmerte mit der Faust an die angelehnte Eingangstür. »Hallo, ist jemand zu Hause?«
    Ich schob die Tür ganz auf.
    »Stellen Sie es draußen ab«, tönte eine Stimme.
    »Ich bin es«, rief ich. »Der kleine Gordon.«
    »Schon gut, stellen Sie es ab. Wir bezahlen es beim nächsten Mal.«
    »Ich bin es, Gordon, dein Bruder.«
    Es rumpelte, eine Tür im Flur öffnete sich, mein falscher Vater und halber Bruder kam mit heruntergelassenen Hosen und starrte mich an. Er zog die Hosenträger hoch und fluchte. »Wie kannst du mich so erschrecken!«
    »Aber ich bin es.«
    »Ja, ja, ich dachte an jemand anders. Was willst du?«
    Er stopfte sich das Unterhemd in die Hose, zog den Rotz hoch und streckte den Kopf an mir vorbei nach draußen.
    »Der Getränkeheini ist noch nicht gekommen, was? Ich erwarte ein paar Kästen Bier und so weiter. Du hast mich vom Scheißhaus geholt.«
    Er kümmerte sich nicht um mich, ging ins Haus zurück. Er war breit und dick geworden wie ein O, an dem dünne Arme und Beine hingen. Der Kopf wiederholte seine Körperform. Ein kleines o auf einem großen O.
    »Wo ist Lena?« Er holte Luft und schrie: »Lena, verdammt, kümmere dich auch mal um was! Der Sprit ist immer noch nicht da. Ich sag doch, wir hätten alles gleich mitnehmen müssen. Komm schon runter. Wir haben einen Gast. Unser lieber Gordon ist da. Verdammt noch mal, komm runter!«
    Er schwankte, strich sich über das seit drei Tagen unrasierte Kinn. »Diese Frau ist zu nichts zu gebrauchen.«
    Er beugte sich vor, sah mir ins Gesicht. »Du bist es also wirklich. Was sagt man dazu? Und ich dachte schon an ein Gespenst. Kommst zur Kontrolle, ob wir dein Geld auch gut anlegen und nicht vergeuden? Wie wäre es mit einer kleinen Erhöhung?«
    Seine Augen waren blutunterlaufen, das Haar auf dem Kopf eine dünne Schimmelschicht. Er winkte mir, ich solle ihm folgen. Ich betrat das Haus, der kleine Flur lag voller Zeitungspapier.
    »Gordon also, hm? Lange nicht gesehen, was? Hab dich aber auch nicht vermisst. Andererseits ...« Er drehte sich um, grinste. »Wenn du schon mal da bist, könntest du zu dem Getränkemarkt fahren und die Sachen abholen. Ich hab Lena gleich gesagt, lass uns alles mitnehmen, nachher kommt der nicht und dann stehen wir dumm da, so wie du jetzt, also wie wär's, willst du dich nicht nützlich machen?«
    Er drehte den Kopf nach oben und schrie wieder. »Verdammt noch mal, Lena, ich hab es dir gesagt, und jetzt knallt es. Lena, komm runter!«
    Er trat gegen eine Wand. »Ich sage dir was über die Frau. Sie lebt hier von meinem ... äh ... deinem Geld und tut nichts. Sie säuft nur. Immer ist alles leer. Nix im Kühlschrank. Sie säuft und säuft. Hängt an der Flasche, verstehst

Weitere Kostenlose Bücher