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Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Titel: Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Gerlach
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erstickt oder vergiftet worden. Ich kenne mich damit nicht aus.
    Aber Mord war es wohl.
    Ich lächelte. Mord war Gerechtigkeit.
    Ich durfte nicht zuschlagen. Ich würde das Werk des Mörders zerstören. Wer immer es gewesen war, er hatte recht getan, und er hatte Anspruch darauf, dass seine Tat in ihren Spuren erhalten blieb. Von mir hatte der Täter nichts zu befürchten. Er hatte meine Sympathie.
    Ich ging um das Bett und suchte nach Spuren. Wenn ich herausfand, wer der Mörder war, konnte ich ihm Blumen schicken. Es gab nichts Auffälliges, auch unter dem Bett nicht. Gute Arbeit.
    Ich kontrollierte meinen Atem und stieg wieder hinab. Ich wischte den Griff der Axt ab, ein Reflex, und stellte sie zurück in die Kammer.
    Ich ging in den anderen Klassenraum, suchte einen Beweis für etwas, das der Tat vorausgegangen war. Einer der Computer blinkte Bereitschaft. Ich drückte eine Taste. Der Bildschirm leuchtete auf, zeigte ein Satellitenfoto, einen Ausschnitt der Erde, vielleicht die Sahara. Darüber lag ein Liniennetz aus unterschiedlichen Formen. Der Computer blendete ein Feld ein. Er fragte mich, ob ich die Suchdaten verfeinern wollte.
    Auf dem anderen Tisch lag zwischen beschrifteten Tonkrügen eine Steintafel. Ich kannte sie. Es war eines der Originale, von denen ich eine Abbildung als Kopie besaß. Die angebliche dreidimensionale Schrift aus dem Grab.
    Ich warf noch einen Blick auf die Schreibtische in dem Büroraum, drehte ein Blatt um. Es war das Foto eines antiken Schreibtisches. Ich kannte das Möbelstück, hatte vor nicht langer Zeit seine raffinierte Mechanik entdeckt, die verborgene Waffe.

11
    Zwei Männer hockten am Tresen der Gastwirtschaft vor ihren Biergläsern, drehten mir synchron ihre Gesichter zu. Zwei große Hunde, auf Barhocker gesetzt. Ich versuchte, das Glas mit dem Quittengelee vor ihnen zu verbergen.
    Der Wirt buckelte, nickte mir zu. »Haben Sie es gefunden?«
    »Es war niemand da.«
    »Niemand da.« Er zog die Brauen hoch. »Meine Tochter ist zurück.« Er hob den Arm, wies in eine Richtung. »Aus der Gaststube raus. Auf der Diele die Tür gegenüber von den Toiletten.«
    Eine große, fast quadratische Diele mit alten gerahmten Landschaftsfotos und zwei Gummibäumen. Ich ging auf die Toilette, öffnete das Marmeladenglas und spülte seinen Inhalt hinunter. Ich wusch es im Waschbecken sorgfältig aus. Draußen auf der Diele deponierte ich es hinter einem der Gummibäume. Die Tür gegenüber der Toilettenräume war angelehnt. Durch einen schmalen Spalt sah ich eine junge Frau hinter einem gläsernen Schreibtisch mit einem flachen Computerbildschirm. Die moderne Einrichtung versuchte sich gegen die alten dunklen Holzwände des Raumes durchzusetzen. Ich klopfte gegen den Türrahmen, schob die Tür gleichzeitig auf.
    »Herr Paulson, nicht wahr?«, sagte sie, ohne aufzublicken.
    »Woher wissen Sie das?«
    Ich trat ein, durch die Glasplatte des Schreibtisches waren ihre Beine zu sehen. Sie hingen aus einem Kleid mit einer nach unten versetzten Taille heraus. Der Stoff hatte ein gelb-braunes Schlierenmuster. Ihre Beine waren zu kurz, um den Boden zu berühren. Rote Kinderschuhe.
    »Er hat Sie angekündigt.« Sie lächelte, als sie meinen erstaunten Blick sah. Sie stand auf, wurde nicht größer. Sie war kleinwüchsig, kaum über hundertzwanzig Zentimeter hoch.
    »Nun, genug gesehen?«
    »William Godin hat mich ...«
    »... täglich erwartet. Seit Wochen schon. Hier im Gasthof ist auch ein Zimmer für Sie hergerichtet. Er meinte, sie würden wahrscheinlich nicht bei ihm übernachten wollen. Sie waren doch schon bei ihm?«
    »Nein.« Ich ging rückwärts in Richtung Tür.
    Sie lachte über meine Reaktion. »Geradaus die Treppe hoch. Zimmer drei.«
    »Ich meine, ich war dort, aber er war nicht da. Es war niemand im Haus.«
    Sie betrachtete meine Schuhe, war wohl auf der Suche nach Staub aus dem Schulhaus. Dann fuhr sie langsam mit dem Blick nach oben, bis sie meine Augen erreicht hatte.
    »Er war nicht da?« Sie betonte jedes Wort und ließ sich auf ihren Sitz fallen. »Na ja, gut, manchmal geht er doch noch spazieren. Manchmal geht es noch. Vielleicht ist er mit Doktor Samson unterwegs.«
    »Sein Arzt?«
    Sie lachte. »Er ist Doktor der Philosophie. Er arbeitet für ihn. So wie ich auch.« Sie zeigte auf den Chromstuhl vor ihrem Schreibtisch. Ich hatte erwartet, im Sitzen fast gleichgroß wie sie zu sein, aber es waren nicht nur ihre Beine, sie war proportional kleiner. »Er kommt oft mittwochs. Ich

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