Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman
»Es steht ihnen nicht.«
Petersen runzelte die Stirn, beugte sich zu mir herab.
»Ich habe ihn niedergeschlagen«, sagte der Wirt. »Wie hoch ist die Belohnung?«
»Ich war es«, sagte Wachse. »Ich habe ihn niedergeschlagen.«
»Ist es der, der den Toten entdeckt hat?« Petersen half mir, aufzustehen, dann holte er ein kleines Notizbuch aus seiner hinteren Hosentasche. Er notierte meine Daten, den Zeitpunkt und die Umstände meiner Entdeckung des Toten. Er berichtete, das Haus versiegelt und die Spurensicherung alarmiert zu haben.
»Soll das heißen, ich kann nicht hinein?«
Petersen schüttelte den Kopf. »Was wollen Sie dort?«
Ich hob die Schultern. »Er ist mein Großvater, jedenfalls so ungefähr.«
»Es ist sein Vater, und zwar ganz genau«, sagte Wachse.
»Bier?«, fragte der Wirt. Er schob es über den Tresen.
Petersen schüttelte den Kopf. »Bin im Dienst.«
Ich nahm das Glas.
»Wo haben Sie sich verletzt?«, fragte Petersen.
»Ich bin hier vorhin gegen eine Tür gelaufen.«
»Wollen Sie Anzeige erstatten?«
»Will er nicht«, sagte der Wirt. Er sah mich an und fuhr fort: »Ich möchte Ihnen noch zum Tod Ihres Großvaters mein Beileid aussprechen. Herzliches Beileid. Hoffentlich wird es eine schöne Beerdigung.«
Wachse griff nach meiner Hand, schüttelte sie. »Mein Beileid.«
»Stimmt. Auch mein Beileid«, sagte Petersen.
»Schon gut«, sagte ich. »Kannten Sie ihn?«
»Nur durch die Einbrüche. Es ist zweimal nachts im Schulhaus eingebrochen worden, obwohl er ja oben unter dem Dach wohnte. Einmal haben wir den Kerl geschnappt. So einen hatten wir noch nie. War ein Professor aus den USA. So ein UFO-Forscher oder so etwas Ähnliches. Und dann stellte sich heraus, es war ein Freund von Herrn Godin.«
»Der Einbrecher?«
Petersen nickte. »Jedenfalls hat der Herr Godin keine Anzeige erstattet. Und der Professor hat noch eine Zeit lang bei ihm gewohnt.«
Ich sah Wachse an. Sie nickte.
»Was, bitte, hat mein Großvater dort oben in dem Haus gemacht?«
Petersen blickte Wachse an.
»Auf jeden Fall nicht das, was draufsteht«, sagte Petersen.
Wachse hob die Schultern.
»Auf jeden Fall nicht so ein Kleid mit tiefer gelegter Taille. Vielleicht Hosen statt Kleid«, schlug ich ihr vor.
13
Zimmer drei. Doppelbett aus Großmutters Zeit. Duschbad, Toilette und Fernseher. Vier Programme. Eins davon mit Flimmern. Ich wusch mir das Gesicht und den Hals. Handtücher wie weiße Bretter. Die Wände mit Lilientapete. Auf braunem Grund ausgeblichene Pflanzen und blaue Blüten. Mit dem Handtuch um den Hals ging ich ans Fenster. Unten stand Wachse. Sie hatte sich eine graue Hose angezogen und eine etwas zu weite rote Bluse. Von hinten sah sie aus wie ein Kind. Sie hatte die Tür meines Geländefahrzeugs geöffnet und überlegte wahrscheinlich, wie sie hineinkommen könnte. Sie stellte einen Fuß auf das Trittbrett. Ich öffnete das Fenster. Das Holz gab einen Schrei von sich.
»Geben Sie zu, dass Sie ein Verhältnis mit William Godin hatten!«, rief ich hinunter.
Wachse sah hinauf, fiel fast um. »Wir sollten meinen Wagen nehmen.«
»In den komme ich doch nicht hinein.«
»Machen Sie sich nicht lustig über mich. Ich habe mich Ihretwegen umgezogen.«
»Das hätten Sie nicht tun müssen.«
»Es gibt selten Menschen, die sich für mich interessieren. Sie aber lachen über meine Teddysammlung, und Sie kritisieren meine Kleidung. Das wagt sonst niemand.«
»Vielleicht weil Sie so klein sind.«
»Kommen Sie runter, damit ich Ihnen eine Ohrfeige geben kann. William Godin behandelte mich mit Respekt.«
Ich zog mein Hemd wieder an und ging hinunter. Wachse saß auf dem Beifahrersitz, hatte sich schon angeschnallt. Ich stieg ein, und sie gab die Richtung an. Ich fuhr Landstraßen entlang, bog mehrmals ab. Hin und wieder war die Ostsee zu sehen, ein träges Meer im trüben Abendlicht, zu schlapp für große Wellen. Stattdessen wogte das Gras.
Hinter einem kleinen Waldstück bog ich ab, ein kurzer gepflasterter Weg endete auf einem niedergebrannten Bauernhof. Eingestürzte Mauern, verkohlte Balken. Dahinter zwei Wohnwagen und ein Container.
»Die beiden sind ziemlich seltsame Typen, aber sie arbeiten seit Jahren für William Godin«, bereitete mich Wachse vor. »Und wenn jemand erklären kann, wonach er suchte, dann die.«
Sie kletterte aus dem Wagen und schlug mit der flachen Hand an die Wohnwagen, dann an den Container. »Besuch! Wo seid ihr?« Sie öffnete die Tür zum Container. Das Innenleben
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