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Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Titel: Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Gerlach
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bin von Dienstag bis Donnerstag halbtags im Schulhaus. Büroorganisation mache ich. Freiberuflich. Ich habe noch drei andere Kunden, für die arbeite ich von hier aus.«
    »Heute ist Mittwoch.«
    »Ich war unterwegs für ihn, habe versucht, alte Landkarten in einem Antiquariat in Hamburg zu finden. Ich war dort, aber ich glaube, was ich fand, hat er schon im Archiv. Ich habe sie trotzdem gekauft.«
    »Arbeiten noch mehr Leute für ihn?«
    »Die Zwillinge aus dem Dorf. Computerfreaks, Bastler. Er gibt ihnen ständig Aufträge. Schon als sie noch zur Schule gingen, hat er sie beschäftigt.«
    »War jemals eine rothaarige, nein, grauhaarige Frau hier?«
    Sie schaukelte mit den Beinen. »Ich weiß nicht. Was wollen Sie genau wissen? Ich kann zu vielen Dingen nichts sagen. Es ist besser, Sie fragen ihn selbst.«
    »Scotty war hier, nicht wahr?«
    Sie nickte.
    »Wer noch?«
    Sie presste die Lippen zusammen, drehte den Kopf wie jemand, der Schmerzen im Genick hat.
    »Was ist mit Eva? Eva Young? Die Antiquitätenhändlerin. War die auch hier? Natürlich.«
    »Herr Paulson, bitte. Bedenken Sie, Herr Godin hat sich sehr um Sie bemüht. Es geschah aus einer gewissen Fürsorge heraus.«
    Ich beugte mich vor. »Entschuldigung. Fürsorge? Ich verstehe wohl nicht richtig. Das ist etwas, das William Godin nicht kennt. Mit welcher Krankheit sollten mich diese Prostituierten infizieren? Was sollte das?« Speichel kam als reines Gift aus meinem Mund.
    Was geschah mit mir? Wo war meine Kälte, meine Unerschütterlichkeit? Die Enttäuschung über William Godins Tod wirkte sich aus. Ich hatte ihm meine Rechung nicht präsentieren können. Jene Abrechung, die er mit seinem Leben bezahlen sollte.
    »Sie sind erregt.« Sie versuchte, mich nicht anzusehen.
    »Ach, bin ich das?«
    »Urteilen Sie nicht zu schnell. Scotland Mary Leeland ist eine hervorragende Archäologin, deren Mitarbeit bei jedem bedeutenden Ausgrabungsprojekt gern gesehen wird ...«
    »Ach, bin ich ein Ausgrabungsobjekt?«
    »Wenn Sie wüssten, was ...«
    »Ja, erklären Sie es mir.«
    »Sie war und ist in einer Zwangslage. Erpressbar. Sie ist immer in finanziellen Schwierigkeiten. Sie muss Unterhalt für ein Kind und einen geschiedenen Mann bezahlen. Und ihre Mutter könnte ohne Scotlands Geld kaum überleben. Natürlich liebt sie Luxus und Abenteuer, aber man muss auch ihre andere Seite sehen. Und Eva ist ähnlich erpressbar. Herr Godin hat das ausgenutzt. Er hatte leichtes Spiel. Scotland sollte Ihnen leidtun.«
    »Es klingt, als seien Sie mit ihr befreundet?«
    »Scotland hätte sich niemals mit Ihnen eingelassen, wenn sie nicht ... verliebt gewesen wäre. Sie liebte Sie.« Sie rieb sich das Gesicht. »Es fiel praktisch der Sonnabend auf einen Sonntag, wie Ihr Großvater sagen würde.«
    »Verliebt?«
    Sie nickte, biss sich auf die Lippen.
    »Klar, Liebe. Das muss Liebe sein, wenn man nach einer Woche wie eine heiße Kartoffel fallen gelassen wird.«
    »Sie wissen nicht, wie das ist, wenn man für William Godin arbeiten muss. Er nimmt keine Rücksicht auf Gefühle. Ich kann den Job jederzeit aufgeben, aber Scotland ... Er hat ihr übel mitgespielt. Hat sie noch immer in der Hand. Sie muss tun, was er will.«
    »Verstehe, deshalb liegt da oben das Original dieser Schrift aus dem Grab. Das allein bringt ihr etliche Jahre Gefängnis ein. Für das andere bekommt sie lebenslänglich. Denn sicher findet man auf seinem Kopfkissen noch eine Menge roter Haare. O nein, sie trägt ja jetzt Grau. Graue Haare.«
    Ich stand auf. Sie sah mich an, öffnete langsam den Mund.
    »Starren Sie mich nicht so an. Er ist tot. Ich habe ihn da oben liegen sehen. Dieser verdammte Kerl hat sich umbringen lassen, bevor ich kam. Genau pünktlich. Mag sein, ich habe genauso wenig Gefühle wie er. Vielleicht bin ich auch so ein Holzklotz. Aber eines weiß ich jetzt genau: Ich wollte ihn selber umbringen. Er gönnt mir diese Genugtuung nicht.«
    Die kleine Frau stand auf, drehte mir den Rücken zu und ging durch eine Tür in den Nebenraum. Ich wartete, dass sie zurückkehren würde, aber sie kam nicht. Vermutlich rief sie die Polizei, erklärte denen, ich wäre der Mörder, und sie könnten mich in ihrem Büro abholen.
    »Hallo!«, rief ich. »Wie auch immer sie heißen. Kommen Sie noch mal zurück? Oder ist die Audienz beendet?«
    Wahrscheinlich war sie schon durch einen Hinterausgang auf dem Weg zum Haus von William Godin. Ich beschloss, den gleichen Weg zu nehmen, öffnete die Tür, durch die sie

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