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Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Titel: Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Gerlach
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Leichtsinn, Unachtsamkeit sind die Folge.«
    Ich schwieg, starrte auf das Wasser. Kleine Wellen schwammen in ausholenden Zügen heran, klopften gegen die Bordwand.
    Scotty sah mich von der Seite an. »Du sprichst über mich, nicht wahr?«
    »Weißt du, ich mache diese Reise dir zuliebe. Und gleichzeitig tue ich genau das, was William Godin von mir erwartete. Ich setze seine Arbeit fort.«
    »Du machst das alles mir zuliebe?«
    »Ja, verdammt. Alles nur, um mit dir hier an der Reling zu sitzen, die Küste anzusehen, den Arm um dich zu legen und zu sagen: Guck dir diese Küste im Licht der untergehenden Sonne an. Ist sie nicht wunderbar?«
    Sie küsste mich auf die Wange, und ich legte meinen Arm um sie.
    »Ist sie nicht wunderbar?«, sagte ich. Die ersten Lichter von Agropoli blinzelten uns zu. »Weißt du, auf dem Rückweg sollten wir Amalfi und Positano besuchen.«
    Sie lächelte, lehnte sich an mich. Hatte ich diese Gefühle wirklich, oder wusste ich sie nur zu bedienen? Ich strich über die kühle Haut von Scottys Armen. Sie küsste mich.
    Vor einer halben Stunde hatte sie per Mobiltelefon Frank und Martin informiert, dass wir Salerno mit einem Schiff mit unbekanntem Ziel verlassen hatten. Wie lange brauchte man mit dem Auto bis Paestum? Vielleicht standen sie tatsächlich schon dort auf der Küstenstraße und beobachteten uns durch die Zielfernrohre ihrer Gewehre.

7
    Das Meer kochte auf kleiner Flamme. Giovanni ging steifbeinig über das Schiff, hob die Nase in den grau bezogenen Himmel. »Ab Mittag Sonne«, prophezeite er.
    Wir trauten ihm nicht. Das Küstengebirge badete in der dünnen Milch eines Morgennebels. Keine Sonne, kein Schatten. Ich hatte mich von Anfang an darauf eingerichtet, zwei oder drei Mal die Küste entlangfahren zu müssen. Aber daran, dass die Sonne vielleicht nicht scheinen würde, hatte ich nicht gedacht.
    In Neapel war es uns gelungen, eine Reihe von Karten zu erwerben. Einige im Maßstab 1: 25.000, für Wanderer geeignet. Sie waren vor über fünfzig Jahren gezeichnet worden, Wege und Bebauung stimmten sicher weitgehend nicht mehr. Andere Karten hatten einen kleineren Maßstab. Möglicherweise waren die Bergformen darauf der jeweiligen Fantasie der Kartografen entsprungen. Manche Karten hatten keine Höhenangaben. Dass es irgendwo hinauf- oder hinunterging, konnte ich nur an den Serpentinen der Straßen erkennen. Karten für Autofahrer.
    Unser Foto bot uns für den Vergleich mit den neuen Karten nur wenig Anhaltspunkte. Zwei kleine Bögen einer Straße, die gleich wieder am unteren Rand verschwand. Ein heller Weg den Hang hinauf, zwei Häuser, eines davon nur mit Mühe zu erkennen. Ein ordentlich ausgerichteter Olivenhain, zwei Felder mit Pflanzen in Reih und Glied. Ein Weinfeld konnte es sein. Eine Überlandleitung zog sich über die Berge. Nur oben auf dem Grat waren die Masten zu erkennen. Ich kreiste auf der Karte etwa ein Dutzend Orte ein, die meiner Meinung nach überhaupt infrage kamen. Wer weiß, wie die Landschaft heute aussah? Vielleicht waren die Hänge vollständig bebaut.
    Wir hätten die Küste in schneller Fahrt von Punkt zu Punkt abfahren können, aber Ton und Technik wollten eine gleichmäßige Geschwindigkeit und mit einheitlichem Abstand ihren Laser auf die Küste richten. Wachse hatte vorgeschlagen, die Berge möglichst detailliert zu fotografieren. Das bedeutete Nähe und langsame Fahrt.
    Mittags kam tatsächlich die Sonne hervor. Wir nahmen Fahrt auf und beobachteten die Küste. Vorbei an einem Ort namens Santa Maria di Castellabate. Auf einer der Karten stand in Klammern Ischia della chitarra darunter. Eine Gitarrenform war nicht zu erkennen. Und weder Giovanni noch Scotty hatten eine Erklärung für diesen Namen.
    Scotty ging in ihre Kabine, um sich umzuziehen, kam mit weißen Kleidern behangen und einem weißen Hut mit breiter Krempe wieder an Deck. Ich dagegen zog mich langsam immer weiter aus, trug schließlich nur Badeshorts. Wir suchten mit Ferngläsern nach Schatten, machten uns gegenseitig auf mögliche, zu anderen Tageszeiten Schatten werfende Einschnitte und Schluchten aufmerksam. Die Sonne brannte mir auf der Haut, und ich zog mich allmählich wieder an. Giovanni lieh mir einen durchlöcherten Strohhut.
    Scotty lachte. »Ich hatte mich schon so gefreut, heute Abend deinen schmerzenden Sonnenbrand behandeln zu können.«
    Meine Haut spannte. »Ich glaube, das kannst du trotzdem.«
    Wir suchten weiter nach vergleichbaren Schatten, nach den Details unseres

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