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Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Titel: Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Gerlach
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Fotos. Wir fanden nichts. Ich hatte eher erwartet, dass jeder Gebirgszug Ähnlichkeiten aufweisen würde.
    Wir erreichten die nördliche Spitze der Halbinsel. Punta Licosa nannte sich das Kap auf der Karte. Auf der kleinen vorgelagerten Insel standen ein Haus und ein Leuchtturm. Mario verlangsamte die Fahrt, wagte mit der Sabina die Durchfahrt nicht. Wenn sie ein ehemaliges Küstenschutzboot war, konnte sie eigentlich keinen großen Tiefgang haben. Wir umrundeten die Insel in weitem Bogen. Bald war die flache Küste zwischen Salerno und Paestum nicht mehr zu sehen. Mario stoppte das Schiff, eine Armatur zeigte einen hohen Ölverlust der Maschine. Er stieg hinunter, um es zu kontrollieren.
    Ton und Technik riefen uns aufgeregt zu sich. Sie rieben sich die Hände, hüpften auf der Stelle. Sie hatten ein erstes, angeblich verblüffendes Ergebnis bei der Umsetzung der Küstenlinie in Schallwellen erzielt. Sie spielten es ab, und ich bekam außer Vokalen und Knacken kaum etwas zu hören.
    »Ich verstehe nichts. Was ist das? Was soll das sein?«
    »Es ist Schwäbisch, wenn noch etwas dazukommt«, sagte Ton. »Wir filtern normalerweise automatisch das durch Korrosion und Bewuchs entstehende Grundrauschen heraus, wenn wir eine Landschaft scannen und dann wieder abspielen, deshalb haben wir es auch nicht gleich gemerkt. Achtung, jetzt nehmen wir das Rauschen teilweise wieder dazu.«
    Sie grinsten mich erwartungsvoll an. Technik ließ einen Finger über einer Taste des Computer schweben, und beide sahen mir ins Gesicht. Langsam senkte er den Finger auf die Taste.
    »Und ab!«, sagte er. Zu dem, was ich vorher als Vokale und Knacklaute hätte deuten können, kamen Zischlaute und Rauschen.
    »Was ist das? Ich verstehe nichts.«
    »Es ist Schwäbisch, tiefstes Schwäbisch!«
    »Es trennt sich für mich nicht ein einziges Wort heraus«, sagte ich. »Außerdem, wenn ich etwas nicht kann und nicht besonders mag, ist es Schwäbisch. Was wollt ihr von mir?«
    »Aber es ist eindeutig. Es heißt auf Hochdeutsch: Eine schöne Küste ist dies.«
    Ich ließ es erneut abspielen. Es stimmte. Jetzt hörte ich es heraus. Sie tanzten umeinander, boxten sich. Die anderen kamen nacheinander hinzu. Die Aufnahme wurde wieder und wieder abgespielt.
    Ton stieg auf einen kleinen Metallkoffer, breitete die Arme aus als Zeichen für Ruhe.
    »Meine Damen und Herren, liebe Weltbevölkerung«, begann er. »Es gibt eine gute und eine schlechte Nachricht: Die Geschichte der Entstehung der Erde muss neu geschrieben werden. Gott war ein Schwabe, das Schwabenland muss das Paradies sein, und die Schwaben sind das auserwählte Volk.«
    Mario kam auf Zehen hinzu. Wir versuchten, ihm das Ergebnis zu erklären. Er hob die Mundwinkel, lachte nicht. Seine Gesichtszüge mit den leicht geschlitzten Augen wirkten wie bemaltes Holz. Er redete italienisch mit Scotty. Scotty bewegte den Mund, als sammelte sie Spucke. Dann antwortete sie in seiner Sprache.
    Mario drehte sich um und ging.
    »Ich kenne solche Leute«, sagte Scotty. »Ich bin ihnen oft begegnet.«
    »Was wollte er?«
    »Er sagte, er habe mehrere Anrufe bekommen. Die Hafenpolizei in Salerno habe sich erneut nach unserem Reiseziel erkundigt. Es seien auch zwei weitere Deutsche eingetroffen, die nach uns gefragt haben.«
    »Das konnten wir erwarten«, sagte ich. »Aber wenn ich seine Gestik richtig deute, war da noch etwas.«
    »Er will einen Anteil.« Scotty schnaufte durch die Nase.
    »Weiß er denn, was wir suchen?«, fragte ich.
    »Nein, er denkt, wir sind auf Schatzsuche. Er glaubt, wir peilen die Küste an, um den Platz zu finden, an dem ein Schiff mit einem Schatz gesunken ist. Wahrscheinlich stellt er sich ein historisches Schiff und archäologische Schätze vor. Ich glaube, er weiß, wer ich bin. Deshalb.«
    Marios Offenbarung als Schurke überraschte mich nicht. Aber den anderen schlug es auf die Stimmung.
    Wir fuhren weiter. Kleine Orte, Buchten mit Sandstränden, aber mich enttäuschte die Küste. Ich hatte die Berge auf unserem Foto anhand des Bewuchses auf eine Höhe von etwa 600 bis 800 Meter geschätzt, hier war alles flacher.
    Mario steuerte auf Acciaroli zu. Ein karges Örtchen auf einer Landzunge. Mario sagte, wir müssten hier anlegen und über Nacht bleiben. Nur hier bekomme er das Spezialöl für den Motor. Wir fuhren in den Hafen. Er war zur See hin durch eine lange Mauer geschützt, an deren Spitze eine weiße Madonna stand. Wenn ich die Gestik der Figur deutete, kam es mir vor, als hielte

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