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Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Titel: Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Gerlach
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verschwand in einem Tunnel. Vielleicht sollten wir versuchen, hier an Land zu gehen. Irgendein Vorwand. In diesen kleinen Küstenorten würde es kaum eine Autovermietung geben. Aber ein Bahnhof tat es auch.
    Mario überließ Giovanni das Steuer und trat aus dem Führerhaus. Er winkte mir und wollte nach vorn kommen. Er kam nicht weit, einer der Alten vertrat ihm den Weg und sah zu mir.
    »Ich muss mit dir sprechen«, rief Mario.
    Ich schüttelte den Kopf.
    Der zweite Alte erhob sich. Mario ging zurück ans Steuer. Er erhöhte die Geschwindigkeit des Schiffes. Das ehemalige Küstenschutzboot war sehr schnell. Die beiden Alten sahen mich an, erwarteten einen Befehl. Ich streckte die flache Hand aus, senkte sie ein paarmal. Sie gingen zurück auf ihre Plätze.
    Das Schiff vibrierte. Ton und Technik protestierten, packten dann ihre Sachen zusammen.
    Mario ließ den Motor jetzt auf Höchstgeschwindigkeit laufen. Seine Form von Wut. Und es war genau das, was ich wollte.
    »Nun bist du doch geworden, was dein Großvater aus dir hat machen wollen«, sagte Scotty.
    »Ich war es schon die ganze Zeit.«
    »Eigentlich müsstest du das als Beleidigung auffassen.«
    »Ich habe etwas, was er nicht hatte.«
    »Umgekehrt. Dir fehlt etwas, was er hatte.«
    »Ich weiß, ich bin ein Unmensch. Was fehlt mir?«
    »Die Adjektive. Aber genau das lässt uns in dieser Situation vermutlich überleben.«
    »Mir fehlt das richtige Gefühl, nicht wahr?«
    Scotty sprang auf. »Da, da vorn, siehst du den Ort? Auf Fotos sah diese Landzunge aus wie eine Hand, die ins Meer greift. Dort war ich einmal eine Woche lang. Der Ort heißt ... äh ... er heißt ...«
    Ich sah auf die Karte. »Palinuro müsste das sein.«
    »Genau. William Godin brachte mich hin, suchte ein Hotel für mich aus, und dann verabschiedete er sich. Nach einer Woche war er wieder da, sah aus, als wäre er unter die Räuber gefallen. Er war zerstochen, sein Körper wund, als hätte man ihn mit Dornen ausgepeitscht. Er erklärte nichts.«
    »Bestimmt hat er Gordon gesucht. Zumindest den Platz, wo er ihn verloren hat. Genau das Gleiche, was jetzt Marlene vorhat.«
    Wachse kam aus ihrer Kabine an Deck. »Habe ich was verpasst? Wir fahren viel zu schnell. Was ist los?«
    »Das Schiff gehört so gut wie uns«, sagte Scotty. »Aber wir haben keinen Einfluss auf die Geschwindigkeit. Es sei denn, wir erschießen den Kapitän.«

9
    Wir erreichten den Süden der Halbinsel. Die Küste veränderte sich, bildete einsame kleine Buchten, steil ins Wasser abfallende Felswände, Grotten. Hier hatten die Berge die richtige Höhe. Aber ich hatte inzwischen die Überzeugung gewonnen, dass unser Foto an einem vollkommen anderen Ort entstanden war. Die Reise war vergeblich.
    Unser Blick galt aber auch mehr den Männern an Bord. Jeden von uns bedrückte die Situation. Wachse war besonders unruhig. Sie konnte nicht mehr still stehen, lief unentwegt an der Reling auf und ab.
    Scotty versuchte, sie zu beruhigen.
    »Was ist los, Wachse?«
    »Ich weiß nicht. Hier stimmt irgendetwas nicht.«
    »Wem sagst du das.«
    »Nein, es kommt aus dem Süden, vom Land. Es ist, als ob mich jemand scharf anguckt, mich beobachtet.«
    »Wer soll das sein?«
    Sie schüttelte den Kopf, lachte. »Meine Mutter vielleicht.«
    Sie lief zum Bug und dann auf der anderen Seite des Schiffes entlang, drehte den Hals, als würde sie an der Leine geführt. »Irgendetwas ist da!«, rief sie.
    Mario kam aus dem Führerhaus, lehnte sich über die Reling und sah ins Wasser. »He, was ist nun mit dem Schatz, he?«
    Er spuckte ins Meer. Die Alten richteten sich drohend auf.
    Ich winkte Scotty heran. »Gib ihm den Befehl, mit hoher Geschwindigkeit bis Policastro durchzufahren.«
    Mario fügte sich. Er wich meinem Blick aus, warf die Tür des Führerhauses hinter sich zu. Wir fuhren an der menschenunbewohnten Südküste der Halbinsel entlang. Scotty deutete auf Höhlen im Fels. »Hier hat er gewohnt. Eine Art Urmensch. Wie bei uns die Neandertaler.«
    Eine Reihe kleiner Buchten öffnete sich. Eine Landschaft, die zum Badeurlaub einlud, aber keiner von uns dachte an so etwas. Wir waren froh, als Policastro am Ende der Halbinsel auftauchte. Im Hafen schleppten alle schnell ihr Gepäck von Bord und bauten es am Kai auf. Ich wartete mit den beiden Alten am Bug und verließ als Letzter die Sabina. Mario lauerte in meiner Nähe, eine Art Hafenmeister stand neben ihm, wollte Geld von ihm. Es war vereinbart, dass Mario die zweite Hälfte der Bezahlung am

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