Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman
eine Straße hinauf.«
»Dann lass uns jetzt fahren.« Wachse trat von einem Fuß auf den anderen. »Es ist doch nicht weit. Bitte, bitte.«
»Morgen früh.«
Es wurde schnell dunkel. Die Landschaftsdetails trennten sich nicht mehr voneinander. Ich drehte mich um. Die beiden Alten waren uns gefolgt, lehnten an ihrem kleinen Auto, rauchten schweigend. Ihre Gesichter zeigten nichts von dem, was sie über uns dachten. Ich machte das Zeichen für »umkehren«.
Auf dem Rückweg überlegten wir, wie es uns gelingen würde, wenigstens einen Tag Vorsprung vor meiner Familie, unseren Verfolgern zu gewinnen.
»Ich könnte ja einfach nichts sagen«, schlug Scotty vor. »Ich breche die Verbindung ab, melde mich nicht.«
»Es würde sie misstrauisch machen und ihre Anstrengungen verdoppeln. Und bis Policastro können sie unserer Spur leicht folgen. Sie wissen, mit welchem Schiff wir unterwegs waren, und brauchen nur die Häfen abzufragen.«
»Wenn ich einen Ort weiter im Süden als unser Ziel nenne?«
»Vielleicht ist es am besten, du sagst ihnen, wir wären auf der Rückfahrt nach Neapel.«
»Dann versuchen sie, uns auf dem Weg dorthin abzufangen.«
»Genau. Mal sehen, wie lange es dauert, bis sie merken, dass wir nicht kommen.«
Wir erreichten Sapri. Die gelbe Straßenbeleuchtung war eingeschaltet. Ich fuhr durch die engen Gassen bis zur Promenade. Scotty griff zum Mobiltelefon. Sie rief Martin an.
Ich parkte vor dem Hotel. Wir blieben sitzen, um Scottys Telefonat abzuwarten.
»Ich bin's«, sagte sie. »Ich melde mich wie vereinbart. Es sieht jetzt etwa so aus, dass wir ... Wo wir sind? Das will ich dir gerade erklären. Es ist so ... Was? Wo?« Sie unterbrach sich, senkte langsam das Telefon und blickte starr nach draußen.
»Was ist?« Ich beugte mich vor.
Neben dem Auto stand Martin, hatte sein Mobiltelefon in der Hand, winkte und grinste zu uns herein.
11
Martin und Frank wohnten im selben Hotel wie wir. Frank folgte uns bis vor unsere Zimmer. »Ich traue euch nicht.«
Er warf einen Blick durch unsere geöffneten Türen. »Wo ist Marlene? Sie war bei euch.«
»Sie sucht den kleinen Gordon.«
Frank lachte, blieb in der Zimmertür stehen. »Sag mal, wollen wir nicht zusammenarbeiten? Ich rede mit Martin. Ich kann ihn bestimmt überzeugen. Natürlich bekommst du den größten Anteil von allem. Da gibt es doch gar keinen Zweifel.«
»Woran zusammenarbeiten?«
»Na ja, du weißt schon.«
Ich schob ihn zur Tür hinaus.
Scotty warf sich auf das Bett. »Was machen wir jetzt?«
Ich lauschte nach draußen und öffnete die Tür erneut. Frank hatte sich nicht bewegt, stand immer noch da.
»Was ist?«, fragte er. »Haben wir einen Vertrag?«
»Gute Nacht.« Ich schloss die Tür wieder.
»Die werden wir nicht los«, flüsterte Scotty. »Und ich habe Hunger, und ich will nicht mit denen zusammen hier im Hotel essen.«
Ich ging zum Balkon. Das Zimmer lag im dritten Stock.
»Wir knüpfen die Bettwäsche zusammen und seilen uns damit ab.«
Ich beugte mich hinaus, sah an der Fassade mit den Balkons hinunter. Frederik würde das machen, ohne Seil.
Es klopfte, und Wachse trat ein. Frank war verschwunden.
»Ich muss etwas essen, irgendwie schwerer werden, sonst fliege ich den Berg hoch«, sagte Wachse. Ihre Haut hatte eine gelbe Färbung angenommen.
»Du bist krank.«
»Quatsch, würde ich dann essen wollen?«
»Gut, ich habe nicht weit entfernt an der Promenade ein Restaurant gesehen.«
Wir gingen hinunter. Frank und Martin saßen an einem Tisch am Eingang des Speisesaals des Hotels. Sie riefen und winkten uns, bei ihnen Platz zu nehmen. Sie hatten vom Rotwein blaue Zungen. Vor ihnen waren Teller aufgedeckt, und dazwischen, auf dem weißen Tischtuch, krochen Brotkrümel wie eine Schar Käfer umher.
Wir verließen das Hotel. In dem Restaurant saßen bereits meine beiden Leibwächter. Der Wirt sah aus, als wäre er früher Boxer gewesen. Er führte uns an einen Tisch, nahm unsere Wünsche entgegen und wies andere Kellner an, die Getränke zu servieren. Dabei galt seine Aufmerksamkeit ununterbrochen den beiden alten Männern.
Scotty zeigte ihm ein älteres Foto von William Godin. Ob er ihn kenne, ob der schon mal hier war. Er kannte ihn nicht. Er erklärte uns, sein Mann am Pizzaofen spräche Deutsch, falls wir Probleme hätten. Der Pizzabäcker nickte uns zu und ließ seine Muskeln spielen.
Scotty hatte das Bild William Godins auch schon im Hotel gezeigt.
»Glaubst du wirklich, er war schon mal hier?«,
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