Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman
passiert. Es ist vollkommen egal. Es betrifft euch nicht. Es geht nur mich etwas an.«
Die Apothekerin erwartete uns an einem kleinen Fenster über unseren Köpfen. Sie reichte die Tabletten heraus. Ich versuchte, im Schein der Laterne die Beschriftung zu lesen.
»Eine Art Beruhigungstabletten«, sagte Scotty.
Frank kam heran, legte ein schiefes Grinsen auf. »Schlaftabletten? Wann soll's denn morgen losgehen?«
»Keine Sorge. Ich werde dich wecken.«
Jetzt kam auch Martin.
»Sie wollen uns Schlaftabletten ins Bier tun«, sagte Frank.
»Wir werden hoch in die Berge fahren«, sagte ich. »Wenn ihr wollt, fahren wir alle zusammen mit unserem Bus.«
Martin schüttelte den Kopf. »Hoch wollen wir vielleicht gemeinsam, aber kann ja sein, dass jeder seinen eigenen Rückweg bevorzugt.« Er warf einen Blick auf die Pillenschachtel, dann ging er mit Frank voraus.
Wachses Zähneklappern hallte durch die Gasse.
»Ich kann nicht bis morgen warten. Es wird besser sein, ihr fesselt mich heute Nacht ans Bett.«
Im Hotel verabreichten wir ihr die Tabletten. Scotty blieb bei ihr, bis sie eingeschlafen war. Dann kam sie zu mir. Wir beschlossen, noch einmal ans Meer zu gehen. Wir durchquerten den kleinen Park und setzten uns auf eine Mauer, dahinter begann der steinige Strand. Die Wellen hoben die kleineren Kiesel und warfen sie auf die größeren Steine.
»Was geschieht mit Wachse?«, fragte Scotty.
»Ich weiß es nicht. Ein Sonnenstich? Kann eigentlich nicht sein. Vielleicht die ganze Reise, der Stress, der für sie damit verbunden ist.«
»Ich finde, sie verändert sich, wirkt manchmal wie irre. Das da oben im Gebirge könnte doch auch ein alter bedeutungsvoller Platz sein mit einer eigenen Magie. Er strahlt etwas aus. Vielleicht hat Wachse wirklich eine Art sechsten Sinn.« Scotty lehnte sich an mich.
»Könnte es auch ein Schock sein? Ich kenne mich damit nicht aus.«
»Ja, du hast recht, da war immerhin die Sache mit dem Fisch.«
»Du glaubst, das mit dem Fisch ist wirklich geschehen?«
»Na ja, wir waren doch dabei.«
»Aber was haben wir genau gesehen?«, fragte ich.
»Den Fisch! Und du hast ...«
»Das Auge. War es ein Auge?«
»Du hattest es doch in der Hand.«
»Schon ...«
»Du meinst, wir haben nur das gesehen, was wir sehen wollten?«
Scotty schwieg, sah über die Bucht, in der sich die Lichter des Hafens spiegelten.
»Wenn das Meer Gott ist«, fragte sie plötzlich, »was sind dann die Fische?«
12
»Ich hätte in der Nacht bei ihr bleiben sollen«, sagte Scotty. Sie kaute auf der Unterlippe. »Sie war krank.«
Wir standen in Wachses Tür. Das Zimmer war leer.
»Sie wird unten sein und frühstücken.«
Aber im Speisesaal war Wachse auch nicht.
»Sie ist bestimmt vorgegangen. Sie hielt es ja gestern kaum noch aus. Aber wir haben denselben Weg. Du wirst sehen, wir treffen sie unterwegs.«
Scotty war nicht zu beruhigen. Ich ging wieder hinauf. Scotty wollte sich an der Rezeption nach Wachse erkundigen.
Frank und Martin kamen mir mit nassem Haar und aus den Hosen hängenden Hemden entgegen. Sie fürchteten, den Start unserer Bergtour zu verpassen. Ich klopfte gegen die Zimmertür der beiden Alten. Es blieb alles ruhig. Von unserem Balkon aus entdeckte ich sie. Sie standen vor dem Hotel an ihren kleinen Wagen gelehnt, warteten.
Wachse hatte an der Rezeption keine Nachricht hinterlassen, aber man hatte beobachtet, wie sie sehr früh das Hotel verließ.
Unserer Einschätzung nach würden wir den ganzen Tag brauchen, um den Berg zu erklimmen. Scotty wollte Proviant und Mineralwasser einkaufen. Ich schlug Frank und Martin vor, uns in einer Bar am zentralen Platz bei der Kirche zu treffen. Aber sie wollten keinen von uns allein lassen. Frank folgte mir in die Bar, und Martin ging mit Scotty zum Einkaufen. Ton und Technik parkten den Bus vor der Kirche. Meine Leibwächter stellten sich gegenüber der Bar an einen Brunnen.
Scotty kam mit Einkäufen beladen zurück, und ich bat sie, in der Bar nach dem Weg zum Sendemast zu fragen.
»Was soll ich denen sagen, warum wir dahin wollen?«
»Möglichst nichts.«
»Ich erzähl ihnen, wir wären Touristen und wollten Fotos von der Küste machen.«
»Sieh unsere Gruppe an. Das glaubt uns keiner.«
»Wie wäre es, uns als Tester von einer Reisegesellschaft auszugeben.«
»Scotty, ich glaube, es ist besser, nichts zu sagen. Die wissen längst, dass die beiden Alten zu uns gehören. Und sie wissen, wozu wiederum die beiden Alten gehören. Und so
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