Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman
Anfang das Büro gemeinsam betrieben hatte. Er war ebenfalls Designer. Wir kannten uns vom Studium. In der Mittagspause lud er sich regelmäßig schwule pornografische Bilder aus dem Internet herunter und ging anschließend auf die Toilette zum Onanieren. Es störte mich nicht, wir schliefen sogar ein-, zweimal miteinander. Es machte mir nichts aus. Es war nur Oberfläche. Ich ließ ihn auch noch gewähren, als er anfing, nackt vor dem Computer zu arbeiten. Er nervte mich erst, als er dabei Tomatenbrote aß und sich bewusst den Körper bekleckerte. Ich zahlte ihn aus, sehe noch, wie er mit wackelndem Hintern die Treppe hinabstieg, den Kopf hochgereckt. Heute ist er Geschäftsführer einer großen Werbeagentur.
Mein Büro liegt im ersten Stock. Das asiatische Mädchen aus dem Antiquitätenladen federte die Treppe herauf. Sie hatte mehr weibliche Formen bekommen, trug die gleiche Hose, die mit einer Schlaufe unter den Füßen immer straff saß, und ein ähnliches schwarzes T-Shirt, nur diesmal hatte es in Taillenhöhe zwei gelbe Streifen. Vielleicht hatten die Farben eine Bedeutung für Vorlieben oder Stimmungen. Ihre gestern kaum vorhandenen Brüste wölbten sich ein wenig, ihr Hinterteil streckte sich etwas mehr heraus.
Sie blieb in der offenen Tür stehen. Ich wies mit der Hand in den Raum. »Bitte.«
Zögernd betrat sie mein Büro. Ihr Blick flackerte über die Schreibtische.
»Es ist außer mir niemand da. Wir sind allein.«
Sie zog die Brauen hoch. Es beruhigte sie nicht. »Gibt es keine Mitarbeiter?«
»Es gab sie.«
»Pleite?«
Ich lachte. »Nein, aber ich bin wohl nicht der Mensch, der mit anderen zusammenarbeiten kann.«
Sie streckte mir die Hand entgegen, als handle es sich um eine Dressur. »Mein Name ist Eva. Eva Young.« Sie hielt meine Hand länger als üblich. »Es ist etwas Merkwürdiges geschehen.«
Sie ließ meine Hand fallen, ging in den Raum hinein. Ich bemerkte, dass es nur ihre Körperhaltung war, mit der sie sich die weiblichen Formen gab. Sie suchte eine Sitzgelegenheit. Ich wies auf einen Drehstuhl hinter einem Schreibtisch und setzte mich auf die andere Seite. Sie sah sich mit gesenktem Kopf mein Büro an, blieb mit dem Blick an der geöffneten Tür zu meinen Wohnräumen hängen.
»Antiquitäten?«
»Nein, eher nicht.«
Sie schüttelte den Kopf. »Haben Sie dieses Büro samt Möbeln gemietet oder selbst eingerichtet?«
»Warum?«
»Es ist eiskalt, und dort hinter der Tür brennt ein Feuer.«
»Sie sehen das genauso? Das freut mich.«
»Heute Morgen«, sagte sie, »hat der Lieferant dieses Kastens angerufen. Ich teilte ihm mit, dass ich möglicherweise einen Käufer hätte. Er fragte, wer es sei. Ich nannte Ihren Namen, und daraufhin sagte er, der Kasten sei unverkäuflich.«
»Sie sind also gekommen, um aus meinem Büro Schlüsse auf mich zu ziehen?«
Sie lächelte. Ich legte meine Unterarme auf dem Schreibtisch ab, um mich ihr zu nähern.
»Es tut mir leid, dass ich Ihnen nun diesen Anblick bieten muss. Was schließen Sie daraus über mich?«
»Ich schließe daraus, dass Sie die Tür zu den anderen Räumen bewusst haben offen stehen lassen.«
»Stimmt.«
»Sie wollen als netter Mensch davonkommen.«
»Stimmt.«
Sie roch anders als gestern, mehr wie das geteerte Holz eines Landungsstegs an einem See. Es war neu, dass ich so etwas überhaupt bemerkte.
»Was ist das für ein Parfum?«
»Es heißt ›Feuer‹.«
»Es riecht tatsächlich etwas verbrannt.«
Sie streckte mir die Innenseite ihres Unterarms entgegen. Ich hielt ihn fest, schnupperte daran. Eindeutig der Geruch von Holzkohle. »Was bewirkt es?«
»Es hat noch niemand die Feuerwehr gerufen.«
»Es spekuliert auf den Höhlenmenschen, was? Ich muss Sie warnen, in meiner Familie gibt es Brandstifter. Ich glaube, ich bin selbst einer.«
Sie wollte ihren Arm zurückziehen. Ich gab ihn nicht her. Jetzt war ich dran, sie ein wenig länger festzuhalten.
»Wissen Sie, es wundert mich nicht, dass der Kasten nicht mehr zu verkaufen ist. Der Verkäufer ist mein Bruder. Ich dachte, Sie wüssten das. Er hat ihn vermutlich von meinem Großvater geerbt oder gestohlen.«
»Er will ihn heute Abend wieder abholen.«
Erst jetzt gab ich ihre Hand frei. Sie stand sofort auf und ging die Wände entlang. Sie betrachtete die gerahmten Entwürfe von Buchstaben, historischen Schriftzeichen.
»Was treibt Sie wirklich her?«, fragte ich.
»Neugier.« Sie lächelte breit. Ihre Lippenwülste zogen sich zu zwei langen
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