Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman
mir zuvor.
»Hast du Laub und Späne an der Außenwand der Hütte aufgehäuft und angezündet?«, fragte er mich.
Ich sagte nichts.
»Hast du die Petroleumlampe in der Küche zerschlagen, damit alles verbrennt?«
Was sollte ich sagen? Er hatte recht, und trotzdem war alles falsch.
»Er ist kein Godin«, sagte mein Großvater und gab mir einen Tritt mit dem Fuß. »Nicht einmal Feuer kann er machen. Die Hütte steht noch.« Er ging rückwärts. Ein Stuhl wich knurrend aus. »Gib mir den anderen! Gib mir Martin.« Es kam ohne Nachdruck.
»Ist Schluss mit Gordons Erziehung?«, fragte meine Mutter.
»Nein, weiter wie bisher.«
Meine Mutter griff in meine Haare, schüttelte mich.
»Er ist ein Godin«, sagte sie. »Ich weiß es, du weißt es.« Sie ließ mich los, stützte beide Hände auf den Küchentisch. Die Muskeln ihrer Unterarme schwollen an, die Schultern wuchsen in die Höhe.
»Schon gut.« Großvater setzte sich. Der Stuhl ächzte. Er grinste meine Mutter an, sie hatte gewonnen.
»Wo ist Frank hingegangen?«
»Er holt Bier von der Tankstelle, das weißt du doch.« Meine Mutter löste sich vom Tisch, kam zu mir. Sie beugte sich herab, roch an mir, ließ sich meine Hände zeigen, dann brachte sie mich ins Bett. Die Vorwürfe meines Großvaters, ich sei ein Brandstifter, waren ihr nicht wichtig. Ich erklärte, was geschehen war. Sie schüttelte den Kopf. Alles war normal. Ich solle mir keine Sorgen machen.
Mein Vater kam zurück. Die Bierflaschen in seinem Beutel schlugen aneinander. Ich hörte, wie sie sich zuprosteten. Wenn mein Großvater bei uns zu Besuch war, wurde oft bis in die Morgenstunden Alkohol getrunken.
In der Nacht wachte ich auf. Mein Großvater stand nackt vor meinem Bett. Die Lampe an der Zimmerdecke blendete mich. Es sah aus, als hätte er eine schwarze Haut. Verbrannt. Holzkohle. Ich griff das Betttuch und zog es über mein Gesicht.
Mein Großvater stöhnte. »So bleiben. Bleib so«, sagte er. »Ich hole schnell die Kamera. Nicht bewegen.«
Kaum hatte er das Zimmer verlassen, sprang ich auf und rollte mich unters Bett wie früher am Tag schon einmal unter die Veranda.
Mein Großvater kam zurück, lachte, neigte sich herab. »Ist schon gut«, sagte er. »Es war nur wegen der Falten auf dem Betttuch. Sie waren wie ein Gebirge. Ein Zeichen.«
Er löschte das Licht und ging wieder. Seine Füße klebten wie Schwimmflossen auf dem Fußboden. Bei jedem Schritt schmatzten sie. Ich wartete, bis alles ruhig war. Dann kam ich hervor, schlich auf Zehenspitzen in die Küche, um mir etwas zu trinken zu holen. Immer am Rand entlang, um bloß nicht in die klebrigen Fußabdrücke meines Großvaters zu geraten. Ich trank Milch, bis mich die Kälte der Flüssigkeit in die Stirn stach. Der Schmerz in meinem Kopf war Rache an meinem Großvater. Da entdeckte ich neben dem Gasherd in der Küche eine Packung Streichhölzer. Ich nahm sie und suchte meinen Großvater. Ich wollte ihn anzünden. Es war dunkel in der Wohnung, aber durch die Fenster drang das erste Tageslicht. Ich hatte erwartet, ihn auf dem Sofa im Wohnzimmer zu finden. Er war nicht da. Ich ging zum Fenster. Sein Wagen stand noch vorm Haus. Vielleicht waren sie zu dritt losgegangen, um noch mehr Alkohol zu trinken. Ich schlich zum Schlafzimmer meiner Eltern und schob vorsichtig die Tür auf. Sie schliefen alle zusammen in dem großen Bett. Die Bettdecke war halb heruntergerutscht. Meine Mutter lag nackt in der Mitte. Mein Großvater röchelte, eines seiner Beine hing herab. Er hatte eine Hand auf den Brüsten meiner Mutter. Sein Geschlecht zeigte wie ein Finger auf mich.
22
»Ich bin's. Ich komme wegen des Preises.« Die Stimme einer alten Frau aus der Sprechanlage. Das asiatische Mädchen.
»Es hätte genügt, wenn Sie anrufen.«
»Hätte es nicht.«
Ich überprüfte den Anblick meines Büros. Ein schönes K aus Sonne, Schatten und einer Spiegelung lag über den Schreibtischen. »Soll ich wieder gehen?«
»Auf keinen Fall.«
Ich drückte den Öffner.
Ich hatte keine Einschätzung von ihr, stand trotzdem auf, um die Tür zu den Wohnräumen einen Spalt weit aufzuschieben, ein wenig Indien in das Nordmeer blicken zu lassen. Ich kontrollierte, ob irgendetwas auf den Schreibtischen lag, was ihr nicht gefallen könnte. Aber was hätte das sein können?
Das Polster eines der Schreibtischstühle hatte einen dunklen Fleck. Die Tomatensoße war nicht rausgegangen. Aber den Fleck sah nur ich. Er stammte von meinem Partner, mit dem ich am
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