Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman
vom Widerschein beleuchtet, zu sehen war. Ich versteckte die Fotos hinter meinem Kleiderschrank. Später vermittelte mich der gleiche Lehrer in einen Zeichenkurs nach der Schule, der für Begabte eingerichtet worden war. Zu Hause sagte ich, es wäre Mathematiknachhilfe. Ich übte mich in Porträt und in Stillleben. Doch was mich damals schon am meisten interessierte, waren Schriften. Dem Lehrer verdanke ich auch – als es auf das Abitur zuging – den Hinweis auf ein Kunststudium. An der Akademie gab es eine Klasse, die sich nur mit Schrift beschäftigte.
Mein Vater kam mit dem Wagen die Auffahrt zum Haus heraufgefahren.
»Zahltag«, sagte er. Seine Hose war offen, fleckig. Er roch nach Alkohol.
»Er zahlt, und wir schweigen«, ergänzte er. Sein Lachen kroch über seine sandigen Bronchien.
2
Der honiggelbe Flor des Teppichs war gewachsen. Ich sank tiefer ein. Das Mädchen am Wabenempfang sah auf mich herab, grüßte mich mit Namen. In der Detektei besaß man wohl eine Vorliebe für große Frauen.
Ich musste nicht lange warten. Das mir bekannte Hitlermädchen, die Ein-Meter-neunzig-Frau, marschierte heran, schlug die Hacken zusammen. Sie trug wieder eine schwarze Uniform, statt des Rocks aber Reithosen und schwarze Stiefel.
»Sie hätten uns die Wahrheit sagen sollen, Herr Paulson.«
Ich erwartete einen Schlag mit der Reitpeitsche. Sie wandte sich ab. Die rote Binde am rechten Oberarm zeigte das Symbol einer schwarzen Rose auf einer kreisrunden weißen Fläche.
»Was habe ich verschwiegen?«
Sie beugte sich herab und flüsterte: »Dass Sie ein Godin sind. Sie bringen uns in einen Interessenkonflikt. Sie bringen uns in Schwierigkeiten. Sie machen Probleme. Verstehen Sie?«
»Bin ich ein Godin? Welcher Interessenkonflikt?«
Sie richtete sich auf. »Kamera aus! Die letzten vier Minuten löschen!«
Das Mädchen hinter dem Empfangstresen zuckte zusammen. Hastig betätigte sie eine Computertastatur. Die Uniformierte beugte sich erneut zu mir herab. »Wir haben Aufträge von Mitgliedern Ihrer Familie, Herr Godin. Verstehen Sie jetzt?«
»Mein Name ist Paulson. Ich gehöre nicht richtig dazu.«
Der männliche Detektivroboter, den ich vom letzten Mal kannte, kam zu uns, lächelte mechanisch. Diesmal bekam ich keinen Handschlag. Er hielt sich die Hand vor die Augen, als wäre er geblendet.
»Ich schlage vor«, sagte er, »Sie machen eine Fahrt mit Klara. Sie zeigt Ihnen unser Ergebnis, und Sie entscheiden über ein weiteres Vorgehen. Sollte dies eine Fortsetzung unseres Einsatzes bedeuten, müssen wir mit großer Wahrscheinlichkeit ablehnen. In Zukunft bitte ich Sie, unsere Detektei bei Ihren Aufträgen nicht mehr zu berücksichtigen. Vielen Dank. Auf Wiedersehen.« Er vibrierte, drehte sich um, verließ den Raum. Als er am Empfang vorbeiging, rief er: »Achtung! In drei Minuten Kameras wieder einschalten.«
Hitlermädchen Klara nahm mich am Arm und führte mich ins Treppenhaus. Wir gingen bis in den Keller, dort durch zwei eiserne Türen in die Tiefgarage. Ein großer Wagen mit dunklen Scheiben. Ich musste hinten einsteigen. Der Wagen war gepanzert. Zwischen mir und Klara eine Scheibe. Sie setzte sich eine schwarze Schirmmütze auf den Kopf. Jetzt passte ihr gesamter Aufzug. Sie vorn, und der große Diktator im Fond.
Im Straßenverkehr fuhr sie unauffällig, fast zu langsam. Ich probierte aus, ob sie mich hören konnte.
»Wo fahren wir hin, Obersturmbannführerin?«
Ich hörte ihr Lachen aus einem Lautsprecher. Dann versenkte sie die Trennscheibe.
»Ihrer Geschichte nach möchte die Frau, die Sie suchen, nicht gefunden werden. Schon gar nicht von Ihnen. Um unseren Auftrag abzuschließen, benötigen wir aber eine letzte Identifizierung durch Sie.«
»Ist sie tot?«
»Ganz und gar nicht. Wir haben den vollständigen Namen und eine Person, die ihn benutzt. Der zweite Vorname ist tatsächlich Scotland. Aber sie muss nicht die Person sein, die Sie kennengelernt haben.«
»Sie meinen, es ist nicht die Gesuchte, sondern diejenige, deren Namen sich meine Scotty ausgeliehen hatte?«
»Ich würde so vorgehen. Einen Namen aus dem Telefonbuch oder sonst woher benutzen.«
»Wann würden Sie so vorgehen?«
»Wenn ich Geliebte und Spionin bei Ihnen sein müsste.«
»Hätten Sie Interesse daran?«
Sie lachte laut und ein wenig zu lange. Ich stellte mir vor, wie ich nackt auf ihr herumklettern würde, ohne zu wissen, was ich zu tun hätte.
»Warum haben Sie nicht einfach ein Foto von Scotland gemacht und zeigen
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