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Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Titel: Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Gerlach
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»bringen wir ihn zusammen um.«
    Sie stolperte zurück, dann nahm sie Anlauf, marschierte an mir vorbei. Draußen ging sie um die Ecke des Gebäudes und zerrte ein rostiges Fahrrad hervor. Es machte nicht den Eindruck, als wäre es in letzter Zeit benutzt worden. Sie warf die Bierdose von sich.
    »Warten Sie. Genau aus diesem Grund bin ich hierhergekommen. Ich suche William Godin. Ich habe ebenfalls eine Rechnung mit ihm zu begleichen. Und ich bin im Gegensatz zu Ihnen in der Lage, ihm leidenschaftslos die Kehle zuzudrücken. Er hat mich entsprechend erzogen.«
    Sie rüttelte an dem Rad, hielt es mit einer Hand und klopfte sich mit der anderen erneut vermeintlichen Schmutz vom Overall, dann schwang sie ein Bein über den Sattel und fuhr langsam zum Ausgang des Hofes. Die Speichen knarrten, und die Reifen waren fast platt.
    »Warten Sie!«, rief ich.
    Sie fuhr unsicher im Kreis, als wäre sie lange nicht gefahren. Sie sah zu mir. »Mich gibt es gar nicht«, rief sie.
    »Bitte, ich muss Ihren Vater sprechen.«
    »Wer sind Sie?«
    »Ich bin Gordon Paulson.«
    »Ach, der.« Sie bremste, lachte kurz.
    Ich kam heran. »Wie heißen Sie?«
    »Salina.«
    »Wo ist Ihr Vater?«
    »Sind Sie wirklich Gordon Paulson?«
    Ich zeigte ihr meinen Führerschein.
    »Bitte, ich muss Ihren Vater sprechen.«
    »Haben Sie Geld? Ich brauche vier neue Reifen, einen Bremsschlauch, etwas Öl und einen vollen Tank. Dann könnte ich mit dem Wagen dort zu ihm fahren.« Sie wies mit dem Daumen zurück zur Werkstatt.
    »Wenn Sie mich mitnehmen?«
    Sie nickte.
    Ich zog mein Geld aus der hinteren Hosentasche und gab ihr nacheinander Schein für Schein auf die Hand, bis sie »Halt!« sagte. Es war ein realistischer Preis. Am Nachmittag in zwei Tagen sollte ich wiederkommen, dann wäre der Wagen fahrbereit. Sie steckte das Geld locker in die Hosentasche, wischte sich die Hände am Overall ab und holte eine Sonnenbrille heraus, mit der sie sich in ein Insekt verwandelte.
    »Salina also. Woher kommt der Name?«
    Sie fuhr eine weite Kurve, kam zurück. »Mich gib es nicht, ist das klar?«
    »Sicher.«
    Sie blieb stehen, neigte den Kopf.
    Ich hob die Hand. »Ich schwöre, dass ich schweigen werde. Er hat keine Tochter.«
    Sie fuhr bis zum Ausgang des Geländes. Dort stellte sie das Fahrrad an einen Pfosten, krempelte sich das rechte Hosenbein hoch, damit es nicht in die Kette geriet. Der Hund kam unter dem Lastwagen hervor, und sie verscheuchte ihn mit einem Befehl und ausgestrecktem Arm. Ich folgte ihr langsam. Der Hund kam zu mir, wedelte mit dem Schwanz und umkreiste mich. Er begleitete mich hinaus und blieb auch auf der Straße an meiner Seite. Aber als ich ihn ansprach und streicheln wollte, knurrte er und blieb zurück. Ich hatte den Geruch von Waschpulver in der Nase. Das war es, wonach Salina gerochen hatte.

18
    »Ich will nicht baden.«
    Meine Mutter hatte das Badewasser eingelassen.
    »Großvater wird kommen, und du wirst baden«, sagte sie.
    »Aber warum?«
    »Er will es so.«
    »Was hat er vor?«
    »Ich weiß es nicht.«
    Das Ende meiner Schulzeit nahte. Ich hatte mir fest vorgenommen, dann nichts mehr zu tun, was Großvater wollte. Alles war vorbereitet. Die Aufnahmeprüfung an der Kunstakademie hatte ich bereits bestanden. Niemand wusste davon. Nicht einmal meiner Freundin Katia hatte ich davon erzählt.
    Offiziell plante ich ein Mathematikstudium, wie von Großvater gewünscht. Tatsächlich hatte ich mich auch zusätzlich an der Universität eingeschrieben. Beim Nebenfach hatte er mir freie Wahl gelassen. Germanistik. Ich war sicher, es gefiel ihm nicht, wenn es ihm schon zuwider war, dass jemand lesen und schreiben konnte.
    Ich hielt die Hand in die gefüllte Wanne. Das Wasser war angenehm warm.
    »Ich will nicht mit Großvater allein sein.«
    »Fürchtest du dich immer noch vor ihm?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    Meine Mutter lachte. »Du sicherst praktisch unseren Lebensunterhalt. Großvater bezahlt uns für dich. Dein Vater ist ja kaum in der Lage, dieses Haus und die Familie zu finanzieren. Er ist ein verdammter Versager und schuld an allem. Du bist also der Ernährer unserer kleinen Familie. Also bitte. Außerdem bin ich überzeugt, alles geschieht zu deinem Besten. Du sollst eines Tages Großvaters Stelle einnehmen. Du bist sein Nachfolger. Das heißt, dann wirst du derjenige sein, der das Geld verteilt. Und falls dir das alles nicht gefällt, warte einfach ab. Eines Tages wirst du die Gelegenheit haben, dich an ihm rächen zu können.

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