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Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Titel: Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Gerlach
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Sie rieb sich die Finger, betrachtete ihre Nägel.
    »Tut mir leid, dass ich überhaupt vorbeigekommen bin.« Ich breitete die Arme aus.
    Sie knüpfte das Band um ihre blonden Locken auf und schüttelte sie, bis das Haar wie ein Dach von ihrem Kopf abstand.
    »Sie hätten früher kommen können.« Das Mädchen sah an sich herab und betastete ihren Körper, dann entdeckte sie einen Ölfleck auf ihrem frischen Overall. Sie ging zu einem schmalen Metallschrank. Seine verbogene Tür wies darauf hin, dass er schon mehrmals aufgebrochen worden war. Sie holte einen frischen Overall heraus und begann, ihren aufzuknöpfen.
    »Starren Sie nicht so. Ich bin schließlich kein Kind mehr, also drehen Sie sich um!«, befahl sie.
    »Schon gut.« Ich hob die Hände und sah nach draußen.
    »Ich muss mich umziehen. Ich kann diesen Schmutz nicht ertragen.«
    Als ich Wasser rauschen hörte, drehte ich mich wieder um. Sie wusch sich die Hände über einem kleinen Handwaschbecken. Dann hob sie die Arme, zog den Overall hinten am Kragen zurecht. Für einen kurzen Moment war sie ein X.
    Jetzt grinste sie mich an, und ich fragte: »Warum machen Sie diese Arbeit, wenn sie keinen Ölfleck ertragen können?«
    Sie trocknete sich die Hände, zupfte an ihrem Overall. »Ich brauche ein Auto. Das ist alles. Und diese verdammte Werkstatt hat keinen siebzehner Maulschlüssel. Das muss man sich mal vorstellen.« Sie spuckte etwas von der Lippe, legte den Kopf zurück. Ihre Locken öffneten sich, zeigten ein breites, quadratisches Gesicht.
    Ich hob die Schultern. »Ich verstehe nur etwas von Buchstaben.«
    »Rechtsanwalt?«
    »Designer.«
    »Ich wollte diese verdammte Mutter mit einem Engländer festziehen, das ist eine Art Rohrzange. Aber wahrscheinlich wissen Sie nicht mal, was das ist.« Sie zog die Schultern hoch. »Tja, ich rutschte ab und schlug gegen meinen provisorischen Bock. Rums! kam alles runter. Ich kann es nicht ausstehen, wenn ich mich schmutzig mache.« Sie strich über den frischen Overall. »Es muss immer alles sauber sein. Es gibt überhaupt keinen Grund, warum man sich in einer Autowerkstatt schmutzig machen muss. Es sei denn, man ist nachlässig und glaubt, Schmutz sei ein Beweis für Arbeit.«
    »Ich suche Frederik«, sagte ich. »Der von dem Schild über der Werkstatt, das unter dem jetzigen Schild ist.«
    Sie lachte, warf die vielen Haare zurück. »Doch ein Anwalt, was? Oder gar schon der Gerichtsvollzieher? Auch nicht? Schuldscheinbesitzer? Noch Schlimmeres? Was gibt es da? Die Mafia? Sind Sie ein professioneller Killer?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich brauche einfach einen Wagen.«
    »Wie enttäuschend.«
    »Tut mir leid.«
    »Und für ein Auto hat man Sie hierher geschickt?«
    »Frederik fiel mir wieder ein. Ich kenne sonst niemanden, der etwas davon versteht.«
    Sie drehte sich um, ging in die Werkstatt. Ein Rucksack stand auf einer schiefen Werkbank. Sie holte eine Dose Bier heraus, öffnete sie und trank. Mit der Dose in der Hand kam sie zurück, legte den Kopf schräg und betrachtete mich.
    »Sie kennen Frederik?«
    Ich nickte.
    »Wann haben Sie ihn zuletzt gesehen?«
    »Ich weiß nicht mehr genau. Er kletterte die Fassade eines Hauses hoch. Etwa zehn oder zwölf Stockwerke. Und oben auf dem Dach öffnete er ein Transparent, ließ es die Fassade herabrollen. Es war ein großer roter Pfeil darauf, der direkt auf ein neu eröffnetes Geschäft zeigte.«
    »Ein Getränkeladen.«
    »Das weiß ich nicht mehr.«
    »Doch, es war ein Getränkeladen. Ich war dabei.«
    »Sie waren dabei. Es ist bestimmt über zehn Jahre her. Sie müssen ein kleines Kind gewesen sein.«
    »Ich war neun oder zehn, ich weiß es auch nicht mehr genau.
    Erinnern Sie sich, wie er wieder runterkam?«
    »Sicher. Er sprang mit einem Fallschirm.«
    »Sie waren wirklich dabei. Welche Farbe hatte der Schirm?«
    »Gelb mit roten Streifen.«
    »Stimmt. Aber was Sie nicht wissen, ist, dass die Höhe eigentlich gar nicht für einen Fallschirm ausreichte.«
    »Aber er landete sicher.«
    »Ja. Ich bewunderte und liebte ihn.«
    »Ich auch.«
    »Es war sein letzter Auftritt.«
    Sie sah zu Boden, malte mit der Sohle ihrer großen Schuhe Linien in den Werkstattboden.
    »Dabei versuchte er nur jedes Mal, sich umzubringen.«
    »Was?« Ich ging einen Schritt auf sie zu.
    Sie sah mich an, den Mund halb offen, jeder Zahn hatte bei seinem Wachstum eine andere Richtung gewählt. Sie zog die Lippen zusammen und ließ die Nase zucken.
    »Was alle für ein ausgeklügeltes

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