Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Titel: Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Gerlach
Vom Netzwerk:
hervor.
    »Kann ich offiziell werden?«, fragte er. Die Worte flossen ihm ineinander. Er war betrunken.
    »Soll ich gehen?«, fragte die Nachbarin.
    »Du bleibst«, sagte er.
    »Du bleibst«, sagte ich.
    »Ich heiße Dalia«, sagte sie. »Wir können Du sagen.«
    Wir erhoben uns, gaben uns die Hände.
    »Du«, sagte ich.
    »Du«, sagte der Anwalt. Er griff wieder nach dem Schlüssel an ihrer Kette. »Ich kriege den Rest auch noch raus, zum Beispiel, wie der hier funktioniert.«
    Ich setzte mich wieder. Der Anwalt schwankte leicht und trat hinter die Nachbarin. Er steckte ihr seine Zeigefinger in die Ohren.
    »Tut mir leid«, sagte er, »es kommen ein paar vertrauliche Informationen.«
    »Schon gut«, sagte Dalia.
    »Sie wissen«, sagte er zu mir, »dass ich eine kurze Identifikation brauche, wenn Sie Auskünfte über Ihren Kontostand haben wollen.«
    Für einen Betrunkenen brachte er die Worte jetzt ganz präzise heraus. Nur das Tempo schleppte etwas, als diktierte er alles.
    »Kontostand?«
    »Den persönlichen Code. Nennen Sie mir den Vornamen ihres Urgroßvaters.«
    »Jakob.«
    »Und des Ururgroßvaters?«
    »John Peter Godin.«
    »Und der davor?«
    »Karl Friedrich.«
    Er zog seine Finger aus Dalias Ohren, betrachtete sie.
    »Ich habe alles verstanden«, sagte Dalia.
    »Macht nichts«, sagte der Anwalt. »Ist ja schon vorbei.«
    Er setzte sich wieder, öffnete seine Tasche und zog eine Mappe heraus.
    »Wieso kommen Sie persönlich zu mir? Und um welches Konto geht es?«, fragte ich.
    »Sie haben angerufen und jemanden herbestellt.«
    »Habe ich nicht.«
    »Meine Sekretärin richtete mir aus, sie wollten den Kontostand in Augenschein nehmen«, sagte er. Er reichte mir ein Blatt Papier. Es enthielt eine Zahlenreihe, deren Summe am Ende außerordentlich hoch war.
    »Es handelt sich bei diesen hohen Zahlen wirklich um Geld?«, fragte ich. Dalia erhob sich etwas aus dem Sitz, um auf das Blatt zu sehen.
    »Ihr Kontostand.«
    »Ich hab kein Konto bei Ihnen.«
    »Doch. Da Sie sich jahrelang weigerten, das Geld von Ihrem Großvater entgegenzunehmen, haben wir es für Sie in Hochzins-papieren angelegt.« Er begann, Wertpapiere zu nennen und die Summen, die jeweils darin investiert worden waren.
    Ich unterbrach ihn. »Warum haben Sie ihm das Geld nicht zurückgegeben? Ist mein Großvater tot?«
    Er lachte. »Nein. Es ging nicht. Ihr Großvater hat sogar die regelmäßige Summe für Sie vor etwa zehn Jahren verdreifacht und eine jährliche Sonderzahlung hinzugefügt.« Er lachte. »Das Absurde ist, seit einem halben Jahr kommen die Zahlungen von Ihrem eigenen Konto.«
    »Das begreife ich überhaupt nicht.«
    Der Anwalt holte ein zweites Blatt hervor. »Ihr zweites Konto, das wir seit fast zwanzig Jahren verwalten. Sie haben es mit Ihrem Großvater zusammen eingerichtet. Er hat eine Vollmacht dafür.«
    Ich erinnerte mich, dass mein Großvater mit mir bei einer Bank war. Ich war gerade volljährig geworden. Ich unterschrieb Papiere. Es interessierte mich nicht.
    »Der Witz ist«, sagte der Anwalt, »Ihr Großvater hat sein gesamtes Barvermögen schon vor über zehn Jahren auf dieses Konto eingezahlt. Eine Schenkung. Rechtsgültig. Und seit einem halben Jahr zahlt er von diesem Konto die monatlichen Summen an alle Verwandten. Also, genau genommen sind Sie der Absender dieser Zahlungen. Ich betone das, weil Ihre Verwandten jetzt glauben, das Geld käme von Ihnen.« Er lachte. »Kommt es ja auch.«
    Er reichte mir das Papier, zuckte damit zurück. »Sie sollten Dalia die Augen zuhalten.«
    »Mache ich selbst«, sagte sie.
    Ich betrachtete das Blatt und die Summen darauf. Dalia lugte durch einen Spalt zwischen ihren Fingern.
    »Was bedeutet das?«, fragte ich.
    »Du bist reich«, sagte Dalia. »Steinreich – nein, stinkreich, schweinereich.«
    »Was bedeutet das für meine Verwandten?«
    »Dass sie, was das Barvermögen angeht, ziemlich leer ausgehen, wenn der Alte mal stirbt«, sagte der Anwalt.
    »Und das wissen alle schon?«
    »Ich glaube nicht. Jeder kriegt ja seit Jahren die gleiche Summe, da guckt man nicht mehr auf den Absender.«
    »Ich will das Geld nicht. Geben Sie es meinem Großvater zurück.«
    »Tut mir leid, das geht nicht. Er wird es nicht annehmen. Hat er schon gesagt.«
    »Geben Sie es mir«, sagte Dalia. Der Anwalt hatte sich zu ihr gebeugt, wieder den Schlüssel in die Hand genommen und suchte das Schlüsselloch.
    »Geben Sie mir die Adresse von William Godin«, sagte ich.
    »Tut mir leid, da müsste ich ihn

Weitere Kostenlose Bücher