Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Titel: Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Gerlach
Vom Netzwerk:
der Ölgesellschaft, für die ich eine neue Schrift entwerfen sollte. Handschriftlich notierte ich darauf, dass ich meine Anteile an den Ölquellen in Russland zum Jahresende verkaufen wolle. Ich gab ihr das Blatt. Sie strahlte.
    »Sie besitzen Ölquellen?«
    »Leider nicht. Diese Briefbögen besitze ich nur als Muster. Die Firma will ein neues Design.«
    Sie hüpfte davon.
    »Dafür müssen Sie mir den Mann zeigen!«, rief ich ihr nach.

2
    Es fehlte nichts. Ich betrachtete Scottys Fotokopien. Die dreidimensionale Schrift. Die Einbrecher hatten sie auf dem Schreibtisch liegen lassen. Und plötzlich kam mir das, was Scotty als Schrift bezeichnet hatte, die Aneinanderreihung verschiedener Kegelformen, wie stilisierte Gebirgszüge vor. Sie waren zur Orientierung gedacht. Landmarken. Sie bezeichneten Wege durchs Gebirge.
    »Der Schlossnotdienst ist da!« Der Mann stellte seinen Werkzeugkoffer ab. »Ich hätte Ihnen sagen können, wie die Tür leichter zu öffnen ist.«
    »Erzählen Sie das den Einbrechern.«
    »Sie haben mir am Telefon gesagt, Sie hätten den Schlüssel verloren.«
    »Es waren Einbrecher, und ich habe Sie nicht angerufen.«
    »Doch.« Er ging an der Tür in die Knie. »Wer hätte mich sonst anrufen sollen? Ich wäre ja schneller gekommen, aber ich hatte noch einen anderen Auftrag.«
    »Wann sind Sie angerufen worden?«
    »Vor zwei Stunden.«
    »Also noch vor dem Einbruch. Dann waren es wirklich die Einbrecher, und sie wollten von Ihnen die Tür geöffnet haben.«
    Der Schlosser rief in seinem Büro an, um herauszufinden, wann der Anruf eingegangen war und wer den Auftrag erteilt hatte. Während er telefonierte, erschienen zwei Polizisten mit gezogenen Waffen in der Tür. Sie hielten uns für die Einbrecher. Der Schlosser und ich zogen unsere Ausweise hervor.
    »Sagen Sie nichts«, tönte eine Stimme von der Tür her. »Ich bin Ihr Anwalt.«
    Ich kannte ihn nicht. Er hielt einen Ausweis in die Höhe und stellte sich vor. Er war einer der jüngeren Partner aus dem Anwaltsbüro meines Großvaters. Die Nachbarin kam jetzt hinzu. Sie hatte ein schwarzes Kleid über ihren Unterrock gezogen. Eine aus großen silbernen Gliedern bestehende Kette mit einem Schlüssel daran hing bis zum Ansatz ihrer Beine herab. Sie schilderte die Geräusche der Einbrecher, machte sie nach. Ich ging in die Küche, um Kaffee zu kochen. Der Schlosser beschrieb den Polizisten, wie seiner Meinung nach die Tür von den Einbrechern geöffnet worden war.
    Der Exporteur kam mit einem Kuchenpaket zurück, begrüßte alle mit »Helau!«. Er half mir in der Küche, stellte die Tassen auf ein Tablett. »So ein Einbruch verbindet«, sagte er. »Ist doch schön.«
    Die Frau von ganz oben, die Freundin des Hauswirts, brachte zwei Flaschen Champagner herunter. »Gründe, zu feiern, gibt es immer.«
    Die Nachbarin im schwarzen Kleid mit Schlüssel nahm Pizzabestellungen entgegen. Aber außer ihr hatte niemand Appetit. Zwei Sekretärinnen aus dem Büro unter mir brachten zwei Flaschen Wein. Die Polizisten tranken Kaffee und aßen Kuchen. Ich erstattete keine Anzeige.
    Eine Freundin der Nachbarin schenkte mir Blumen. Der Schlosser maß die Tür aus, sagte, er könne sie provisorisch richten, aber sie müsse samt Rahmen erneuert werden. Ich gab ihm den Auftrag. Die Pizza kam mit einer Flasche Grappa. Der Anwalt fragte, ob er mich eine Minute allein sprechen könne. Ich vertröstete ihn auf später. Die Sekretärinnen schöpften aus einem großen Vorrat schlüpfriger Witze. Ihre beiden Chefs kamen, auf der Suche nach ihnen, und brachten zwei chinesische Kunden mit. Die Polizisten polierten meine Weingläser und ordneten sie auf einem Tablett. Der Schlosser hämmerte an der Tür, versuchte, sie zu richten, damit das Schloss wieder einrastete. Dann prostete er den anderen mit Grappa zu. Die Nachbarin bot ihm die Hälfte der Pizza an. Der Exporteur wusch in der Küche Tassen ab und sagte, seine Frau komme gleich und bringe noch Verwandte mit. An der Tür stand eine ältere Dame in dunklem Kostüm mit einer Topfpflanze. Ein Gummibaum. Sie überreichte ihn mir, wünschte mir Glück zum Einzug. Sie habe seit zwei Jahren schräg über mir ein Übersetzungsbüro. Falls ich mal ihre Dienste brauchte. Ich erklärte ihr, dass ich schon seit ewigen Zeiten diese Räume gemietet hätte, aber sie lachte, schlug mir mit der flachen Hand gegen meine Schulter, als hätte ich einen Witz gemacht. Ich glaube, durch den Lärm des Schlossers verstand sie mich nicht. Sie

Weitere Kostenlose Bücher