Das Jahrhundert der Hexen: Roman
Druck setze?«
Sie lächelte säuerlich.
Da packte er sie bei den Schultern und riss sie an sich. Sie bekam es mit der Angst zu tun. Am Hals spürte sie seine kräftige Hand. Wenn er wollte, bräuchte er ihr bloß die Schlagader abzudrücken …
An der Stelle, an der sie gerade eben noch gestanden hatte, sauste ein weiterer Skater vorbei. Ywha spürte den Luftzug, der über sie hinwegzischte, und erspähte eine feuerrotes Baseballcap mit in den Nacken geschobenem Schirm. Der Junge war höchstens dreizehn. Jetzt schoss er in eine eiserne Mülltonne, stolperte und schrubbte mit den leidgeprüften Knieschonern über den Asphalt.
Als Klawdi Ywha wieder losließ, versuchte sie, seinen Blick zu meiden.
»Sag mir, wenn dich etwas beunruhigt, Ywha. Das ist wichtig.«
Sein Gesicht fungierte nun nicht mehr als Sanduhr. Kam es ihr nur so vor oder spiegelte sich in ihm eine echte, unverfälschte Sorge wider? Interessierte ihn wirklich, was in ihrem Innern vorging? Oder bedeutetet dieses »Das ist wichtig« nur dies: wichtig für die Inquisition?
»Mögen Sie Hunde, Klawdi?«
»Ja«, antwortete er prompt und ohne sich zu wundern.
»Und Katzen?«
»Auch. Wieso?«
»Und Meerschweinchen?«
»Die nicht. Und Hamster auch nicht. Fischen und Papageien stehe ich völlig gleichgültig gegenüber. Was noch?«
»Sehen Sie in mir eine Katze – oder doch nur einen Hamster? Oder ein Versuchskaninchen?«
Tief in ihrer Seele hoffte sie, sie würde ihn damit aus der Reserve locken. Er würde sich wenigstens kurz empören.
Eine vergebliche Hoffnung.
»Du bist ein Mensch. Habe ich dich verletzt? Habe ich dich wie eine Katze behandelt?«
Toll, nun durfte sie sich auch noch rechtfertigen. Weil sie den guten Herrn Inquisitor grundlos beleidigt hatte …
»Ich bin traurig.« Nervös kaute sie auf der Lippe herum. »Ich sehe mich in dem Ganzen gar nicht. Nirgends. Es kommt mir vor, als trete ich vor einen Spiegel und in dem spiegelt sich das Zimmer … und meine Sachen … nur ich nicht. Die Hexe, die gegen die Hexen vorgeht. Die Braut ohne Bräutigam. Als ob ich ein Werkzeug von Ihnen wäre … noch dazu ein billiges und aus zweiter Hand.«
»Du bist meine Mitarbeiterin«, sagte Klawdi sanft. »Meine Verbündete. Wenn du so willst, meine Freundin.«
»Das geht nicht. Seinen Mitarbeitern sagt man die Wahrheit. Und mit Freunden … ist es ohnehin schwierig. Ich hatte nie Freunde. Und Sie auch nicht.«
»Woher weißt du das?«
Da riss sich Ywha wieder zusammen.
Es dämmerte bereits. Irgendwo in einem Gartencafé erschallte durchdringend ein Banjo. Über den hellgrauen, vom Wind blank gefegten Gehsteig klackerten rote Lackschuhe mit unglaublichen Pfennigabsätzen. Die Besitzerin dieser High Heels sah Ywha nicht – so tief hatte diese, sich ihrer Schuld bewusst, den Kopf gesenkt.
»Was soll das, Ywha? Erlaubt sich da die Hexe in dir einen Spaß? Gräbst du Geheimnisse aus, ziehst du sie ans Licht?«
»Das ist doch kein Geheimnis.« Ywha hob den Kopf. »Jeder, der sich nur kurz mit Ihnen unterhält … begreift sofort, dass Sie keine Freunde haben.«
»Ist das so schlimm?«
»Ich weiß es nicht. Vielleicht. Ändern lässt es sich jedenfalls nicht.«
»Weißt du was, Ywha?« Klawdi deutete ein Grinsen an. »Wenn du keine Hexe wärst, würde ich dich für ein Genie halten. Bei deiner Intuition … Du bist also der Ansicht, ich sei weder zu treuer Freundschaft noch zu hehrer Liebe fähig?«
… Der Wind im Gesicht, das Gefühl zu fliegen, geknicktes Gras, der Wald, über dessen Wipfel grüne Wellen wogten …
Ihr bleicher Körper überzog sich mit einer Gänsehaut. Vom Scheitel bis zur Sohle. Was sollte das? Fand sie jetzt etwa Gefallen daran, eine Hexe zu sein?!
Sie drehte sich weg und lehnte sich über einen gusseisernen Zaun, der eine Blumenrabatte säumte. »Zu hehrer Liebe … sind Sie imstande. Das weiß ich.«
»Wie solltest du das auch nicht wissen? Schließlich hast du ja dieses prachtvolle Bett gesehen, diesen Weidegrund der hehren Liebe …«
»Sie brauchen sich gar nicht über mich lustig zu machen!«
Die Scham trieb ihr jäh die Tränen in die Augen. Sie wusste nicht einmal, wer für diese ganze Situation verantwortlich war. Sie, Ywha? Klawdi? Oder jene Hexe, in dessen Seele sie heute ohne jedes Recht eingedrungen war?
»Hören Sie auf, sich über mich lustig zu machen! Denn die Liebe … die steht über alldem. Ja, Ihr Bett ist widerlich! Ja, Nasar hat mich sitzen lassen! Aber die Liebe … die Liebe schert
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