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Das Jahrhundert der Hexen: Roman

Das Jahrhundert der Hexen: Roman

Titel: Das Jahrhundert der Hexen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Dyachenko , Marina Dyachenko
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sehen. Weder das Vorzimmer noch den Referenten, weder seine Angestellten noch das Schild an der Tür.
    »Geben Sie mir eine Zigarette«, flüsterte Ywha. Automatisch hielt er ihr die Schachtel hin, zog die Hand dann jedoch abrupt zurück. »Du rauchst doch gar nicht!«
    »Jetzt schon«, sagte sie mit einem angedeuteten Grinsen. »Oder tut es Ihnen um Ihre Zigarette leid?«
    »Ja.« Er steckte die Schachtel in die Tasche.
    Ywha verzog das Gesicht. Die Grimasse verunstaltete sie. Es sah aus, als habe ein brutaler Fotograf vor die roten Haare ein fremdes, ziemlich unangenehmes Gesicht geklebt.
    »Haben Sie Angst, das Rauchen schade meiner Gesundheit? Und ich wäre nicht mehr kräftig genug, um auf den Scheiterhaufen zu klettern?«
    Er wartete auf eine Welle der Wut – die aber ausblieb. Nur Müdigkeit verspürte er. »Hör auf damit, Ywha«, bat er mit ungewöhnlich leiser Stimme. »Bring mich nicht auf die Palme. Wir sind doch … Kollegen.«
    »Ach ja.« Der unangenehme Ausdruck wollte nicht aus ihrem Gesicht verschwinden. Sie sah nach unten, in den dunklen quadratischen Brunnen mit dem Fahrstuhlschacht in der Mitte.
    Mit einem Mal fiel ihm alles wieder ein. Er wunderte sich über seine eigene Verbohrtheit – und darüber, wie sehr sich die Umstände geändert hatten. Das, was noch vorgestern wichtig erschienen war, war seinem Gedächtnis heute einfach entfallen.
    »Tut mir leid, ich habe vergessen, dich zu fragen, was jetzt aus Nasar und dir wird.«
    Die Antwort hätte er sich im Grunde auch selbst geben können. Finster fegte er die Asche vom Geländer und beobachtete, wie die grauen Partikel nach unten segelten.
    Nun glänzte das Treppengeländer aschefrei. Es vergingen etwa fünf Minuten, bevor Ywha den Kopf hob. »Wie viele haben Sie schon auf den Scheiterhaufen geschickt, Klawdi?«
    »Es gibt keine Scheiterhaufen mehr«, presste Klawdi heraus. »In den letzten hundert Jahren wird die Strafe … auf andere Weise vollzogen. Scheiterhaufen, das ist doch nur so dahingesagt.«
    »Und wie wird die Strafe vollzogen?«
    »Warum interessiert dich das? Auf sehr humane Art! Verflucht, Ywha, was willst du von mir?«
    »›Ich habe versucht, mein Handwerk aufzugeben. Stets wusste ich, wie undankbar, grausam und schmutzig es ist. Indes, ich bin dafür geboren wie kein Zweiter. Letztlich muss jemand die Latrinen säubern, andernfalls ertrinkt die Welt in Unrat.‹«
    An ihm vorbeiblickend zitierte sie den Passus in monotoner und leidenschaftsloser Weise. Nur einmal zitterte ihre Stimme, bei dem Wort »ertrinkt«.
    »Du brauchst mir nicht um den Bart zu gehen. Von Atryk Ol trennen mich Welten.«
    »Warum das?«, fragte sie ehrlich erstaunt. »Weil er von seinen Herrinnen verbrannt wurde?«
    »Nein, nicht deshalb. Der Preis für sein Leben war das Leben der Mutterhexe. Verbrennen können sie mich auch, dabei ist gar nichts weiter …«
    Endlich verkroch sich der ekelhafte Ausdruck aus ihrem Gesicht. Zum ersten Mal seit geraumer Zeit blickte sie ihm direkt in die Augen. »Sie sollten das nicht sagen.«
    Er zuckte die Achseln – wenn du meinst.
    Unten, dort, wo die Treppe endete, quietschte laut eine Tür. Eine magere Frau mit Eimer und Wischlappen erschien. Als sie sich wie gewohnt an die Arbeit machte, zuckte sie plötzlich zusammen und richtete den Blick auf die beiden, die hoch oben auf einem Treppenabsatz standen. Ist das der Großinquisitor?, staunte sie. Sie wollte ihren Augen nicht trauen.
    »Am liebsten würde ich den Kopf in den Sand stecken«, gestand Klawdi leise. »Aber ich muss der Mutterhexe gegenübertreten … genau wie Atryk Ol. Im Unterschied zu ihm bin ich mir jedoch überhaupt nicht sicher, ob ich kurzen Prozess mit ihr machen kann.«
    Die Putzfrau arbeitete sich, Stufe um Stufe sorgfältig wischend, nach oben vor.
    »Atryk Ol war sich auch nicht sicher«, erwiderte Ywha kaum hörbar.
    Plötzlich empfand Klawdi Dankbarkeit. Vielleicht für diese Worte. Vielleicht erkannte er auch erst jetzt, im Nachhinein, welches Opfer sie ihm gebracht hatte; die Arbeit der vergangenen Nacht war gefährlich und schmerzvoll gewesen, und am Vorabend hatte seine Kollegin offenbar eine schwere persönliche Krise durchlebt.
    »Willst du mir etwas … von Nasar erzählen, Ywha?«
    Sie senkte den Kopf. Die herabfallenden roten Haare verbargen ihr Gesicht.
    »Ich möchte mich waschen«, erklärte sie statt einer Antwort. »Von mir abwaschen, was …«
    Er verstand sie, noch bevor sie zu Ende gesprochen hatte. Und er bemerkte, er

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