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Das Jahrhundert der Hexen: Roman

Das Jahrhundert der Hexen: Roman

Titel: Das Jahrhundert der Hexen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Dyachenko , Marina Dyachenko
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Fluss fallen. Die versprengten Gänse stürzten sich prompt erneut in den Kampf. Mit einem kurzen Aufschrei floh Klawdi zu Ywha ins Wasser. Die Gänse blieben noch ein Weilchen zeternd am Ufer stehen, bevor sie der Stimme der Vernunft oder dem Ruf ihres Leittiers folgten, sich umdrehten und geschlossen abzogen.
    Da Ywha eine schlechte Schwimmerin war, versuchte sie ständig, eine Position zu wahren, in der ihre Füße den Grund berührten. Klawdi machte erst gar keine Anstalten zu schwimmen, sondern stand lediglich bis zur Taille im Wasser und tupfte mit der Hand versonnen nach den hüpfenden Sonnenreflexen.
    »Könnten mich die Hexen dann nicht wenigstens in eine Füchsin verwandeln – wenn das mit der Gans schon unmöglich ist?«, fragte Ywha mit Flüsterstimme. »So richtig, meine ich, für immer.«
    »Ywha«, gab er zurück, nachdem er sich mit feuchten Händen übers Gesicht gestrichen hatte, »können Hexen die Zeit zurückdrehen? Uns … nein, du brauchst das nicht, du warst ja damals noch nicht mal geboren … mich, Klawdi Starsh, dreißig Jahre zurückversetzen? Na gut, achtundzwanzig?«
    »War Ihr Leben denn damals schöner?«
    Voller Ernst blickte er ihr in die Augen. So ernst, dass ihre Beine watteweich wurden.
    »Damals gab es … Ja, Ywha. Ich weiß nicht, ob es damals besser war. Es gab damals einfach Leben.«
    »Und jetzt nicht ?«, fragte sie, obwohl sie ihre Worte gleich darauf bereute.
    Er antwortete nicht. Er setzte sich so hin, dass er bis zum Scheitel im Wasser versank. Als er wieder auftauchte, strich er sich die in der Stirn klebenden Haare aus dem Gesicht. »Geh ans Ufer, Ywha. Dir wird sonst noch kalt.«
    »Damit Sie mich wieder begaffen können?!«
    »Dummerchen«, lachte Klawdi, während er aus dem Wasser stampfte. »Ist dir eigentlich klar, was ich in meinem Leben schon alles gesehen habe? Als ob ich nichts Besseres zu tun hätte, als mir deinen Popo anzugucken.«
    »Wenn es Sie sowieso nicht interessiert, dann schauen Sie halt nicht hin«, blaffte Ywha, nun plötzlich beleidigt.
    Mit diesen Worten hielt sie aufs Ufer zu, geschäftig und entschlossen, so wie ein Redner die Bühne betritt. Sich am Steg hochhangelnd und ohne Klawdi eines Blickes zu würdigen, schnappte sie sich ihre Sachen. Stur geradeaus blickend, zog sie sich an, wobei sie sich bemühte, auf gar keinen Fall gehetzt zu wirken. Akkurat zog sie den neuen Reißverschluss in der alten Jeans hoch, zupfte ihr Hemd zurecht – und erst danach sah sie Starsh an.
    Selbstverständlich hatte dieser nicht im Entferntesten daran gedacht, woanders hinzusehen. Die ganze Zeit über hatte er sie stillschweigend beobachtet! Was für eine Unverfrorenheit!
    Da sie jedoch keine Kraft fand, um zu explodieren, lächelte sie bloß. Ein mitleidiges Lächeln. »Und? Das war doch nichts Besonderes, oder? Das haben Sie doch schon oft genug gesehen, oder? Und …« Demonstrativ linste sie auf seine Badehose. »… Eindruck hat es wohl auch keinen gemacht?«
    Als er schwieg, bedauerte sie ihre Worte. Wie damals, in der Kunstschule, wo die frechen Mädchen sie für eine Heilige oder einen Feigling hielten und sie, um ihnen das Gegenteil zu beweisen, ein Pornoheft mit in den Unterricht geschleppt hatte. Als Herr Chost, ihr Geschichtslehrer, sie dann mit dem Ding erwischt hatte, war sie sich sicher gewesen, die Haut ihrer Wangen würde gleich platzen, so unbarmherzig schoss das Blut in sie hinein. Aus irgendeinem Grund hatten sich all ihre Versuche, kokett zu sein, stets gegen sie verkehrt. Ihr ganzes Leben lang.
     
    Es roch nach Wasser und Weiden. Über viele Jahre hatte er diesen Geruch gemieden.
    Über dem Wasser kreisten Libellen. Zu lange hatte er dieses warme, grünliche Wasser mit den glänzenden, inselgleichen Seerosen gehasst. Das Haus am Flussufer, das sein Vater früher einmal sorgsam in Schuss gehalten hatte, verrottete jetzt. Während Klawdi auf dem morschen Steg saß, konnte er sich nicht genug über die seltsamen Beweggründe wundern, die ihn veranlasst hatten, Ywha an diesen Ort zu bringen.
    Hier gab es keinen Sand, keine Kinder, keine Alten, keine braun gebrannten jungen Männer mit ihren Freundinnen. Aber der Geruch war absolut der gleiche. Der ihm für immer in die Nase gestiegene Geruch von Wasser und Weiden. Wenn er sich seiner Phantasie überließ, sah er die junge Frau im schlangenfarbenen Badeanzug vor sich, die lachend mit beiden Händen auf die sonnengefleckte Wasseroberfläche einschlug. Eine lang zurückliegende Erinnerung,

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