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Das Jahrhundert der Hexen: Roman

Das Jahrhundert der Hexen: Roman

Titel: Das Jahrhundert der Hexen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Dyachenko , Marina Dyachenko
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Problemen wie wir.«
    Jetzt war es an Klawdi zu schweigen.
    Das Geheimnis, das seine Durchlaucht ins Büro des Großinquisitors getragen hatte, schaute sich um und entdeckte allenthalben nur Furcht – was insofern bemerkenswert war, als der Träger dieses Geheimnisses eigentlich nicht als Feigling galt.
    »Ich habe Unterlagen, Klawdi«, fuhr der Herzog bedrückt fort, »einen ganzen Stapel Anschuldigungen gegen Sie. Meldungen verschiedener Kuratoren, in denen Sie als Querkopf bezeichnet werden, der die Situation mit den Hexen außer Kontrolle geraten lässt. Unter ihren Geliebten soll es eine Abenteurerin geben, eine Hexe, die unzweifelhaft Einfluss auf Sie hat. Schauen Sie mich nicht so an, ich habe nicht die geringste Absicht, Sie in irgendeiner Form unter Druck zu setzen. Ein Teil meiner Quellen beteuert, diese Hexe nehme eine besondere Stellung unter all Ihren Frauen ein … Sie würden sie maßlos lieben und beschützen, während Sie gegen ihre Artgenossinnen drakonische Maßnahmen ergriffen. Lassen Sie mich ausreden. Einige meiner Quellen vertreten ferner die Ansicht, Sie würden ein doppeltes Spiel spielen, Klawdi, und hätten die Mutterhexe längst identifiziert. Diese soll in Ihrer Wohnung wohnen. Sie behalten sie, die noch nicht initiiert ist, in der Hinterhand, wie einen Trumpf im Ärmel. Geben Sie zu, Klawdi, dass ich Ihnen gegenüber offen bin, denn falls dem so wäre …«
    Der Herzog schwieg bedeutsam. Klawdi hielt seinem Blick nicht stand.
    So sah die Sache also aus. Es fiel ihm immer schwerer, die Maske des Desinteresses beizubehalten. Er wollte naiv mit den Augen klappern, wie eine Eule in einem Schaufenster für Spielwaren. Was für einen frischen Blick die Quellen des Herzogs doch auf die Welt hatten!
    Zögernd versuchte er, die Person Klawdi Starsh, der Ywha Lys am Arm führte, mit anderen Augen zu sehen. In der Tat ein seltsames Bild, ein Widerspruch … Wer es darauf anlegte, konnte das für Liebe halten, ja, sogar für einen Trumpf im Ärmel.
    »Mit anderen Worten«, bemerkte er bedächtig, »Sie bezichtigen mich des Verrats? Nicht mehr und nicht weniger?«
    Etwas in seiner Stimme zitterte. Etwas Aufrichtiges schwang in ihr mit, dem sich selbst der Herzog nicht zu entziehen vermochte; nervös blinkerte er mit den tief liegenden Augen.
    »Ich bitte Sie, Klawdi, natürlich nicht. Ich hätte Ihnen all das auch nicht sagen müssen. Aber ich habe Sie davon in Kenntnis gesetzt, um Ihnen einmal mehr zu zeigen, wie sehr ich Ihnen als Leiter einer unserer wichtigsten Behörden vertraue.«
    »Die Inquisition ist keine Ihrer Behörden.« Klawdi sah an die Decke. »Die Inquisition war in allen Zeiten etwas Eigenständiges, bildete ein selbstständiges Imperium. Geben Sie ruhig zu, Eure Durchlaucht, dass Sie zutiefst betrübt waren, als ausgerechnet ich diesen Posten bekam.«
    Der Herzog stierte auf die Zigarette, die in seinen Fingern heruntergebrannt war. Er stierte auf den vor ihm stehenden Aschenbecher und seufzte hilflos, als wisse er nicht, wie er die beiden Gegenstände miteinander in Verbindung bringen sollte.
    »Verehrter Herr Starsh, ob ich betrübt oder erfreut gewesen bin, dürfte doch wohl jetzt kaum von Bedeutung sein, meinen Sie nicht auch?«
    »Sind Sie sich dessen sicher?«, hakte Klawdi nach.
    »Sie denken da an gewisse Kungeleien«, presste der Herzog hervor. »Ja, es gab eine Zeit, da war mir daran gelegen, Ihnen … gewissermaßen … den Stuhl vor die Tür zu setzen. Aber nicht jetzt, da … kurz und gut, nicht jetzt.«
    Es folgte eine lange Pause. Die beiden, die sich an unterschiedlichen Seiten des langen Tisches gegenübersaßen, starrten einander unverwandt an.
    Als Erster senkte Klawdi den Blick.
    »Gut. Wenn Sie offen zu mir waren, so will ich es umgekehrt auch sein, Eure Durchlaucht. Diese Frau, der Ihre Quellen so viel Aufmerksamkeit zuteil werden lassen, ist eine Hexe mit außergewöhnlicher Empathie. Ich brauche sie bei der Arbeit. Sie war die Verlobte vom Sohn eines Freundes von mir, weshalb ich mich verpflichtet fühlte … ihr ein wenig zu helfen. Das ist alles. Was die Mutterhexe angeht, da wird Ihnen, Eure Durchlaucht, jeder Fachmann bestätigen, dass vor dem Vollzug des Initiationsrituals das zukünftige Wesen einer Hexe nicht zu bestimmen ist, mehr noch: Selbst in den ersten Stunden und Tagen nach der Initiation befindet sich dieses Wesen in einem Schwebezustand. Eine Arbeitshexe kann da beispielsweise noch ganz einfach zur Kampfhexe heranwachsen. Ywha kann trotz

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