Das Janson-Kommando: Thriller (German Edition)
niemandem hatte Janson mehr gelernt als von ihm. Keiner kannte so viele Geheimnisse. Die Geheimnisse blieben irgendwie an ihm hängen wie Kletten am Fell eines Schafs, das ziellos durch die Gegend streift. Doch er war der sprichwörtliche Wolf im Schafspelz, und es hatte in seiner langen Laufbahn im Dienst für Israel nie auch nur einen einzigen ziellosen Moment gegeben.
Er hatte nie wie ein Titan ausgesehen mit seinem sanften Gesicht. Janson erinnerte sich an die feinen Gesichtszüge, die vollen Lippen, die warmen Augen und das etwas distanzierte Auftreten eines englischen Gentlemans im mittleren Alter. »Besser, man wird unterschätzt, als gefürchtet. Sei weich und nachgiebig, dann überraschst du sie damit, dass du hart sein kannst.«
Janson war einen Moment lang geschockt, als er den gebrechlichen Donner sah, wie er sich mühsam erhob, um ihn im Foyer des Pflegeheims zu begrüßen. Ihm war nie der Gedanke gekommen, dass die Zeit einem solchen Mann etwas anhaben könnte. Seltsamerweise wirkte Donner jetzt im hohen Alter nicht mehr so weich, als verfügte er nicht mehr über die Kraft, sein wahres Wesen zu verbergen. Er war fünfundachtzig, mit vereinzelten weißen Haarbüscheln auf dem kahlen Haupt, großen Ohren und einer vorstehenden Nase. Er trug jetzt eine Brille mit schwarzem Rahmen, doch sein Blick war wie früher, als betrachte er die Welt mit zwei verschiedenen Augenpaaren: das eine warm und freundlich, während das andere kaum sichtbar wie Suchscheinwerfer die tiefsten Gedanken seines Gegenübers ans Licht brachte.
»Ich habe eine Überraschung für dich«, sagte er mit seinem gehobenen britischen Akzent. »Komm mit.« Er schlurfte auf wackligen Beinen am Aufzug vorbei zur Treppe. Janson ging instinktiv voraus, um ihn aufzufangen, falls er stürzte. Donner bemerkte es, sagte aber nichts. Langsam schritten sie zum anderen Ende des riesigen Swimmingpools. An einem Tisch im Schatten der Palmen saßen noch zwei Männer aus Jansons Vergangenheit. Grandig war jünger als Miles, rüstige siebzig. Zwi Weintraub hingegen musste mindestens fünfundneunzig sein und sah auch so aus, von seinen eingefallenen Wangen bis zu den Sauerstoffschläuchen in den Nasenlöchern.
»Junger Saul«, begrüßte er Janson. »Du siehst keinen Tag älter als achtzig aus.«
»Und Sie sehen aus, als könnten Sie Methusalem Konkurrenz machen«, antwortete Janson und nahm Weintraubs dünne Hand in seine. »Wie geht es Ihnen, Sir?«
»Ich kauf die Sauerstoffflaschen jetzt nicht mehr kastenweise.«
Grandig schüttelte ihm ebenfalls die Hand, mit einem immer noch festen Händedruck. »Und wie geht’s mir, danke der Nachfrage? Gut, wenn ich mein Skelett irgendwo eintauschen könnte, oder zumindest die Schmerzen.«
»Du musst nicht ins Detail gehen«, wandte Miles mit einem gutmütigen Lächeln ein. »Paul, als du angerufen und gesagt hast, du hättest ein paar Fragen, da hab ich mir gedacht, wer könnte sie besser beantworten als die Stern-Bande?«
»Ich wusste nicht, dass ihr alle noch im Geschäft seid.«
»Du dachtest, wir wären längst tot«, warf Weintraub mit zittriger Stimme ein. »Aber das sind wir nicht. Wir sehen nur so aus.« Und Grandig deutete auf die luxuriöse Umgebung und fügte hinzu: »Wer könnte einer Einladung in Miles’ prächtige Behausung widerstehen?«
Janson hatte diese Männer kennengelernt, als er auf Probe bei Consular Operations begonnen hatte und zur amerikanischen Botschaft in Jerusalem geschickt wurde. Er sollte als Verbindungsmann zum Mossad fungieren. Doch die CIA, die Cons Ops als Organisation des Außenministeriums nicht akzeptierte, hatte den Israelis zugeflüstert, dass Janson den Auftrag habe, den Mossad auszuspionieren. Der israelische Geheimdienst schob ihn daraufhin aufs Abstellgleis und teilte ihn einer bedeutungslosen Einheit von älteren Herren zu, die einen Machtkampf innerhalb des Mossad verloren hatten.
Sie hatten ihm den Spitznamen »The Kid« gegeben. So hatte ihn noch nie jemand genannt, zumal er schon mit vierzehn über den Körperbau eines Erwachsenen verfügt hatte. Doch neben diesen zionistischen Veteranen, die auf dem Schlachtfeld gegen die Briten und die Araber gekämpft und sie mehr als einmal überlistet hatten, die die Terroristen des Schwarzen September und der Fatah-Bewegung ausgeschaltet hatten, fühlte er sich tatsächlich wie ein unerfahrener Junge. Interessanterweise gab es kein hebräisches oder jiddisches Wort für einen jungen Mann, der in einen Kreis von
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