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Das Janusprojekt

Das Janusprojekt

Titel: Das Janusprojekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Das Hotel. Ein paar hundert Mark. Einige Bilder. Und ein Auto.»
    «Ein Auto?» Das war mir neu. «Kirsten hatte ein Auto?»
    «Das Auto ihres Vaters. Er hatte es den Krieg über versteckt.»
    «Er war wohl ziemlich gut im Verstecken von Sachen», sagte ich im Gedanken an die Kiste, die sein SS-Freund im Garten vergraben hatte. Ich war mir sicher, dass er davon gewusst hatte, wenn auch der Amerikaner anderer Meinung gewesen war.
    «In einer Werkstatt an der Donauwörther Landstraße.»
    «Sie meinen diese alte Fulda-Reifen-Klitsche an der Straße nach Kleinberghofen?» Krumper nickte. «Was für ein Auto ist das?»
    «Von Autos verstehe ich nicht viel», sagte Krumper. «Ich habe ihn vor dem Krieg damit herumfahren sehen. Es war sein ganzer Stolz. Irgendein Cabriolet mit Zweiton-Lackierung. Damals gingen die Geschäfte natürlich noch besser, und er konnte sich so was leisten. Bei Kriegsbeginn hat er sogar die Räder vergraben, damit niemand den Wagen beschlagnahmte.» Krumper reichte mir einen Satz Autoschlüssel. «Und ich weiß, dass er ihn gepflegt hat, auch wenn er ihn nicht fahren konnte. Ich bin sicher, der Wagen ist prima in Schuss.»
    Ein paar Stunden später saß ich in einem schmucken, zweitürigen Hansa 1700, der so makellos aussah wie an dem Tag, als er die Borgward-Werke in Bremen verlassen hatte. Ich fuhr nach München und direkt zum Krankenhaus, holte Kirstens Asche ab und fuhr dann wieder zurück nach Dachau, zum Friedhof am Leitenberg, wo ich einen Termin mit dem Bestattungsunternehmer, Herrn Gartner, hatte. Ich übergab ihm die sterblichen Überreste und arrangierte einen kurzen Gedenkgottesdienst für den nächsten Tag.
    Wieder zurück in meiner Schwabinger Wohnung probierte ich es noch einmal mit dem Betäubungsmittel. Diesmal nützte es nichts. Ich fühlte mich so einsam wie ein Fisch in der Kloschüssel. Ich hatte keine Verwandten und keine nennenswerten Freunde außer dem Kerl im Badezimmerspiegel, der mir früher immer guten Tag gesagt hatte. In letzter Zeit sprach nicht mal mehr der mit mir. Seine Miene war meistens verächtlich, als wäre ich ihm widerwärtig geworden. Vielleicht waren wir ja alle widerwärtig geworden. Wir Deutschen. Es war keiner unter uns, den die Amerikaner nicht mit leiser Verachtung betrachteten, außer vielleicht die Partymädchen und die Amiflittchen. Und man brauchte kein Hanussen zu sein, um die Gedanken unserer neuen Freunde und Beschützer lesen zu können. Wie konntet ihr das zulassen?, fragten sie. Wie konntet ihr tun, was ihr getan habt? Das habe ich mich selbst auch oft gefragt. Eine Antwort hatte ich nicht. Ich glaube nicht, dass irgendjemand von uns darauf je eine Antwort haben wird. Welche Antwort könnte es darauf geben? Es war einfach nur etwas, was einmal in Deutschland passiert war, vor etwa tausend Jahren.

10
    Etwa eine Woche später war sie wieder da. Die große Frau. Große Frauen sind immer besser als kleine. Vor allem wenn sie in Wirklichkeit gar nicht so groß sind, sondern nur so wirken. Männer bevorzugen diesen Typ. Diese Frau hier war unwesentlich kleiner als ein Basketballkorbständer, aber das meiste an ihr war nur Haar, Hut, hohe Absätze und Hochmut. Über Letzteren verfügte sie reichlich. Sie schien Hilfe ungefähr so dringend zu benötigen wie Venedig Regen. Das ist etwas, was ich an Kunden schätze. Ich mag es, wenn jemand an mich herantritt, der Wörter wie «bitte» und «danke» nicht kennt. Das bringt den Achtundvierziger in mir zum Vorschein. Manchmal sogar den Spartakisten.
    «Ich brauche Ihre Hilfe, Herr Gunther», sagte sie und setzte sich vorsichtig auf die Kante meines knarzenden grünen Ledersofas. Sie presste ihre Aktenmappe an den üppigen Busen, als handelte es sich um einen Brustpanzer.
    «Ach? Was bringt Sie zu dieser Meinung?»
    «Sie sind doch Privatdetektiv, oder?»
    «Ja, aber warum gerade ich? Warum gehen Sie nicht zu Preysings in der Frauenstraße? Oder zu Klenze in der Augustinerstraße? Das sind größere Detekteien als meine.»
    Sie wirkte so schockiert, als hätte ich nach der Farbe ihrer Unterwäsche gefragt. Ich lächelte ermutigend und sagte mir, dass ich mich, solange sie auf der äußersten Sofakante saß, in letzterer Frage wohl mit Vermutungen begnügen musste.
    «Ich versuche ja nur herauszufinden, ob mich jemand empfohlen hat. In diesem Metier möchte man so was gerne wissen, Fräulein … äh …?»
    «Frau. Frau Warzok. Britta Warzok. Und ja, Sie wurden mir empfohlen.»
    «Ach, von wem

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