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Das Janusprojekt

Das Janusprojekt

Titel: Das Janusprojekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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denn?»
    «Das würde ich, wenn es recht ist, lieber für mich behalten.»
    «Aber Sie waren letzte Woche bei Herrn Krumper. Meinem Anwalt. Da haben sie sich wegen meines Hotels erkundigt – nur dass Sie sich da wohl Schmidt genannt haben.»
    «Ja. Nicht sehr originell, ich weiß. Aber ich war mir nicht sicher, ob ich Sie engagieren sollte oder nicht. Ich war schon ein paarmal hier gewesen, aber da waren Sie immer unterwegs, und ich wollte Ihnen keinen Zettel im Briefkasten hinterlassen. Die Hauswartsfrau hat gesagt, Sie hätten ein Hotel in Dachau. Ich dachte, dort würde ich Sie vielleicht finden. Dann habe ich das Zu-verkaufen-Schild gesehen und bin in Krumpers Kanzlei gegangen.»
    Ein Bruchteil dessen stimmte vielleicht, aber ich ließ es erst mal so stehen. Mir gefielen ihre Verlegenheit und ihre eleganten, langen Beine viel zu sehr, um sie gleich in die Flucht zu schlagen. Aber sie ein bisschen zappeln zu lassen, konnte wohl nichts schaden.
    «Aber als Sie neulich Abend hier waren, haben Sie gesagt, Sie hätten einen Fehler gemacht.»
    «Ich habe meine Meinung geändert», sagte sie. «Das ist alles.»
    «Sie haben sie einmal geändert, also könnten Sie’s wieder tun. Und mich mittendrin hängenlassen. In diesem Geschäft kann das misslich sein. Ich muss wissen, dass es Ihnen wirklich ernst ist, Frau Warzok. Das ist nicht wie ein Hutkauf. Wenn Ermittlungen erst einmal im Gang sind, kann man sie nicht umtauschen. Man kann sie nicht in den Laden zurückbringen und sagen, sie gefallen einem doch nicht.»
    «Ich bin nicht dumm, Herr Gunther», sagte sie. «Und bitte reden Sie nicht mit mir, als ob ich mir nicht überlegt hätte, was ich tue. Es war nicht leicht, hierherzukommen. Sie haben ja keine Ahnung, wie schwer das ist. Sonst würden Sie wahrscheinlich nicht ganz so herablassend reden.» Sie sprach kühl und emotionslos. «Liegt es an meinem Hut? Ich kann ihn abnehmen, wenn er Sie stört.» Jetzt endlich ließ sie ihre Aktenmappe los und stellte sie neben ihren Füßen auf den Boden.
    «Der Hut gefällt mir», sagte ich lächelnd. «Bitte, lassen Sie ihn auf. Ich bedaure, dass meine Art Sie ärgert. Aber in diesem Geschäft hat man, ehrlich gesagt, sehr oft mit Leuten zu tun, die einem die Zeit stehlen, und meine Zeit ist mir kostbar. Ich bin ein Ein-Mann-Betrieb, und wenn ich für Sie arbeite, kann ich nicht mehr für jemand anderen arbeiten. Jemanden, der mich vielleicht dringender bräuchte als Sie. So ist das nun mal.»
    «Ich bezweifle, dass irgendjemand Sie dringender braucht als ich, Herr Gunther», sagte sie, gerade so viel Beben in der Stimme, dass es mein Herz erreichte. Ich bot ihr eine Zigarette an.
    «Ich rauche nicht», sagte sie mit einem Kopfschütteln. «Mein … Arzt sagt, das ist ungesund.»
    «Ich weiß. Aber in meinen Augen sind Zigaretten eine der eleganteren Methoden des Selbstmordes. Und außerdem lassen Sie einem reichlich Zeit, alles zu ordnen und zu regeln.» Ich zündete meine Zigarette an und inhalierte einen Mund voll Rauch. «Also, wo liegt das Problem, Frau Warzok?»
    «Klingt, als meinten Sie es ernst», sagte sie. «Mit dem Selbstmord.»
    «Ich war an der Ostfront, meine Dame. Danach scheint einem jeder Tag eine Zugabe.» Ich zuckte die Achseln. «Also sollten wir essen, trinken und fröhlich sein, denn morgen könnten die Russen kommen, und dann werden wir uns wünschen, wir wären tot – falls wir es nicht sind. Aber wir werden es natürlich sein, denn wir leben jetzt in einer atomaren Welt, und es dauert nur noch sechs Minuten statt sechs Jahre, sechs Millionen Menschen zu töten.» Ich nahm die Zigarette aus dem Mund und grinste. «Was ist schon ein bisschen Qualm gegen einen Atompilz?»
    «Sie haben wohl schon einiges mitgemacht?»
    «Klar. Wir haben doch alle einiges mitgemacht.» Ich konnte sie nicht sehen, aber ich wusste, sie waren da. Die drei Narben auf ihrer Wange wurden von dem schwarzen Stückchen Tüll an ihrem Hut verdeckt. «Sie auch, wie es aussieht.»
    Sie fasste sich ans Gesicht. «Eigentlich hatte ich ziemliches Glück», sagte sie.
    «Das ist die einzig sinnvolle Art, es zu sehen.»
    «Es war beim Fliegerangriff am fünfundzwanzigsten April ’44», sagte sie. «Es heißt, dass damals fünfundvierzig Spreng- und fünftausend Brandbomben auf München fielen. Eine Bombe zerfetzte ein Wasserrohr bei mir im Haus. Drei glühend heiße Kupferringe von meinem Boiler flogen mir ins Gesicht. Sie hätten ebenso gut meine Augen treffen können. Erstaunlich, was

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